Spektrum_1_17
Spektrum Highlights 1/2017

Der Quantenphysiker Wolfgang Pauli wurde für seine scharfe Zunge ebenso geschätzt wie gefürchtet. Werner Heisenberg goutierte ihn als kompetenten Kritiker und pflegte zu sagen: Wenn’s der Pauli nicht verreißt, kann ich’s veröffentlichen. Fand er einen Aufsatz schlecht, nahm Pauli kein Blatt vor den Mund. Und wenn ihm etwas völlig unbrauchbar schien, griff er zu einer besonders „liebevollen“ Formulierung. Er pflegte dann zu sagen, das sei „ja noch nicht einmal falsch“.

Not even wrong

Ich weiß nicht, ob der US-amerikanische Physiker Peter Woit diese Formulierung im Hinterkopf hatte, als er einen Titel für sein Buch suchte. Jedenfalls heißt es „Not Even Wrong“ (ebenso wie sein Blog). Pauli an Schärfe in nichts nachstehend, geht er darin harsch mit der Stringtheorie ins Gericht, geißelt sie als „pseudowissenschaftlich“ und nennt sie einen „empörende[n] Versuch, das Scheitern zu kaschieren“.

Woher dieser Furor eines Physikers gegen eine physikalische Theorie? Nun, wenn es nach Woit geht, ist die Stringtheorie gar keine physikalische Theorie, nicht einmal eine naturwissenschaftliche. Denn sie erfüllt Karl Poppers Kriterium der Falsifizierbarkeit nicht: Danach muss eine Theorie durch Beobachtungen überprüft und damit auch prinzipiell widerlegt werden können. Oder, wie Popper selbst formulierte: „Ein empirisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können.“

Nun bestreitet kaum jemand, dass die Stringtheorie Poppers Kriterien verletzt, denn das ist ziemlich offensichtlich. Sie kann also alles Mögliche sein – Philosophie, Mathematik, Mythologie, Science Fiction -, aber keine naturwissenschaftliche Theorie. Und sie kann daher auch nicht den Anspruch erheben, irgendetwas Objektives über die Welt aussagen zu können.

In der Fakultät geirrt?

An sich wäre das gar kein Problem, wenn da nicht die Eitelkeit der Stringtheoretiker wäre. Sie müssten nur zu ihren Kollegen sagen: Macht’s gut Jungs, wie ziehen um zu den Mathematikern, die kennen sich mit unseren komplexen Formeln eh besser aus. Oder sie könnten einen neuen geisteswissenschaftlichen Forschungszweig gründen: naturwissenschaftlich inspirierte Mythologie – kurz Scimyth –, wo sie sich zusammen mit den Theologen und Philosophen Weltentstehungsphantasien hingeben könnten.

Das klingt jetzt vielleicht spöttisch, ist aber völlig ernst gemeint. Was ich sagen will: Es gibt bereits Fakultäten, in denen Ideen wie die der Stringtheorie ihren Platz haben. Nur sind es eben nicht die Fakultäten für Physik oder Astronomie. Jedenfalls nicht, wenn man Popper ernst nimmt. Das Problem mit der Stringtheorie ist deshalb in erster Linie ein Problem der Befindlichkeit ihrer Vertreter. Es menschelt in der Wissenschaft nämlich nicht weniger als in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Man will keinen vermeintlichen Abstieg in „geringerwertige“ Wissenschaften antreten, das widerspricht dem eigenen Selbstbild.  Und schon gar nicht will man sich vom Kollegen, der sich weiterhin mit den harten Fakten der Physik befasst, auf dem Institutsgang belächeln lassen.

Nur so ist es zu erklären, dass Vertreter der Stringtheorie Argumente an den Haaren herbeiziehen, um Poppers Kriterien für unbrauchbar zu erklären. Diese Argumente habe ich im 1. Teil dieses Beitrags behandelt. Fazit: Es ist nicht eines dabei, das auch nur halbwegs überzeugt. Man muss es wirklich so deutlich sagen.

In diesem Teil soll es um die Alternative gehen, die Stringtheoretiker und andere für Popper anbieten. Mag die Motivation auch fragwürdig sein, den Vorschlag sollte man doch prüfen. Denn Argumente sollten immer „nackt“ und unabhängig von Personen oder Motiven bewertet werden. Der vorgeschlagene Ersatz für Popper lautet also: Satz von Bayes.

Der englische Mathematiker und Pfarrer Thomas Bayes (1701-1761) entwickelte diese nach ihm benannte Formel, die posthum 1763, lange vor Poppers Lebzeiten, veröffentlicht wurde. Dabei geht es um die Berechnung von sogenannten bedingten Wahrscheinlichkeiten, ein Problem das durchaus praktische Relevanz hat, z. B. bei Spamfiltern.

Bayes im Kleinen: Spamfilter

Angenommen Sie erhalten eine Email, die den Begriff „Potenzmittel“ enthält. Handelt es sich dabei um Spam? Das können Sie folgendermaßen untersuchen: Wir nehmen an, dass durchschnittlich jede zehnte ankommende Nachricht in Ihrem Postfach Spam ist und Sie außerdem aus Statistiken folgendes wissen: 30 Prozent aller Spammails enthalten den Begriff „Potenzmittel“. Von allen Mails (also echte Mails und Spam zusammengenommen), enthalten jedoch nur 6 Prozent diesen Begriff. Dann könnten Sie aus diesen Informationen mit Hilfe der Bayschen Formel berechnen, dass die Email mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent Spam ist.

Diesen Prozentsatz könnten Sie nun erhöhen, indem Sie die Berechnung mit weiteren Schlüsselwörtern wiederholen. Wenn Sie in der Mail den Begriff „Belohnung“ finden und wissen, dass in 60 Prozent der Spammails mit „Potenzmittel“ auch „Belohnung“ vorkommt, während dies nur bei 40 Prozent von allen „Potenz-Mails“ der Fall ist, sagt Ihnen Bayes‘ Formel bereits mit 75 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Spam handelt. Und so weiter.

An diesem relativ einfachen Beispiel erkennt man bereits einige Charakteristika der Methode. Erstens: Kein Mensch würde auf diese Weise untersuchen, ob es sich bei der Mail um Spam handelt, denn es genügt, die Nachricht kurz zu überfliegen, und der Fall ist klar. Wer also in der Lage ist, einer Sache auf den Grund zu gehen, was in diesem Fall bedeutet, den Inhalt der Mail zu verstehen, braucht diese Methode nicht. Geeignet ist sie dagegen für Computer, die nur Syntax (also bestimmten Zeichenabfolgen), aber keine Semantik erfassen können. Daher die Anwendung als Spamfilter.

Zweitens: Man braucht recht viele (unsichere) Informationen (in diesem Fall statistische Daten über Spammails), um überhaupt etwas berechnen zu können. Die einzigen „harten Fakten“, die benutzt werden, sind die vorkommenden Begriffe „Potenzmittel“ und „Belohnung“. Je unsicherer die Vorinformation, desto ungenauer die Wahrscheinlichkeiten. Andererseits: Je mehr Begriffe getestet werden, desto sicherer wird das Ergebnis. Die Erfahrung zeigt: Spamfilter funktionieren ganz ordentlich, wenn auch bei weitem nicht fehlerlos.

Bayes im Großen: Parallele Welten

Nach einem ganz ähnlichen Prinzip funktioniert nun die Bayessche Statistik, mit der wissenschaftliche Theorien untersucht werden. Das läuft dann ungefähr so: Zunächst muss abgeschätzt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Theorie richtig ist. Und das tut man, indem man Wissenschaftler fragt – kein Witz! – wie überzeugend sie diese Theorie finden.

Findet beispielsweise ein Stringtheoretiker seine Theorie, in der es 10 hoch 500 Universen gibt, sehr plausibel, ordnet er ihr mal eben die „Wahrheitswahrscheinlichkeit“, sage wir, 60 Prozent zu. Dann rechnet er noch ein wenig nach und kommt zu dem Schluss, dass ein Universum wie das unsere nach dieser Theorie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine mittelgroße Dichte an dunkler Energie haben muss. Nun schaut er nach, welche Dichte an dunkler Energie tatsächlich gemessen wurde – bisher das einzige „harte“ Faktum in diesem Verfahren – und stellt fest: Der Wert ist tatsächlich mittelgroß. Das gibt er nun in die Formeln der Bayesschen Statistik ein und erhält als neue „Wahrheitswahrscheinlichkeit“ für seine Theorie, sagen wir, 70%. Voilà.

So in etwa muss man sich die Methode wohl vorstellen, in deren „Mittelpunkt“ „eine grundlegende Verbindung zwischen dem subjektiven Begriff der Überzeugung und der harten Mathematik der Wahrscheinlichkeit“ steht, wie Robert Matthews in Spektrum der Wissenschaft (Highlights 1/17) formuliert. Was er hier als Argument für die Bayessche Methode anpreist, kommentiert der Philosoph Norbert Hinterberger lapidar so: „Besser hätte ich es auch nicht formulieren können… allerdings als Kritik!“ Matthews dagegen findet das Konzept wahnsinnig „subtil“, weil es auf „Glaubens- oder Überzeugungsgraden (degrees of belief)“ beruht und nicht auf „simpler Wahr-falsch-Logik“. Auch das kein Witz! Sind wir auf dem Weg in die Gesinnungswissenschaft?

Das Problem dabei: Wäre die gemessene Dichte an dunkler Materie sehr groß oder sehr klein und damit im Widerspruch zur Theorie, bedeutete dies in der schönen neuen bayschen Wissenschaftswelt mit Nichten das Ende der Theorie. Denn dank des hohen „Glaubensgrades“ ihrer Befürworter hätte sie immer noch eine beachtliche „Wahrheitswahrscheinlichkeit“ von vielleicht 50 Prozent. Man fühlt sich an ein Bonmot aus den naturwissenschaftlichen Praktika während des Studiums erinnert: „Wenn die Fakten nicht zur Theorie passen – Pech für die Fakten!“ Nur, dass das immer ironisch gemeint war.

Der Unterschied zwischen wahrscheinlich und wahrscheinlich wahr

Nun werfen auch Popperianer eine bewährte Theorie nicht sofort in den Papierkorb, wenn sie einen widersprechenden Befund haben. Aber sie müssen die Falsifikation ausbügeln, indem sie die Theorie modifizieren, und sind danach der Wahrheit – hoffentlich – wieder ein Stück nähergekommen. Diese lästige Arbeit sparen sich die Jünger von Bayes. Erst wenn es massenhaft widersprechenden Befunde hagelt wird die „Wahrheitswahrscheinlichkeit“ der Theorie so klein, dass sie verworfen werden muss. Bei Matthews hört sich das so an: „Verquere Anfangsüberzeugungen werden nie direkt falsifiziert, sondern letztlich unter dem Gewicht gegen sie sprechender Indizien begraben.“ Aber was ist mit den Theorien, bei denen das nicht passiert? Es ist wie beim Spamfilter: So, wie er regelmäßig Spam ins Postfach durchlässt, werden auch einige unbrauchbare Theorien nicht als solche erkannt und als „wahrscheinlich wahr“ eingestuft werden.

Dieses Beispiel zeigt auch, wie problematisch der Wahrscheinlichkeitsbegriff ist, der in der Bayesschen Statistik verwendet wird. Wenn ein Bayesscher Spamfilter berechnet, dass es sich bei einer Email zu 86 Prozent Wahrscheinlichkeit um Spam handelt, bedeutet dies ja nicht, dass die Aussage „Diese Email ist Spam!“ zu 86 Prozent wahr ist. Denn die Aussage ist weiterhin entweder zu 100 Prozent wahr oder zu 100 Prozent falsch, wie man schnell erkennt, wenn man sich die Email durchliest. 86 Prozent bedeutet lediglich, dass von 100 Emails dieser Art im Mittel etwa 86 Stück Spam sind.

In der Bayesschen Statistik und ihrer Anwendung in der theoretischen Physik wird dies aber genau so verstanden. Wahrscheinlichkeiten werden hier als „Grade vernünftiger Glaubwürdigkeit“ aufgefasst – was immer das genau heißen mag. Was es jedoch bedeuten soll, dass eine Theorie zu 65 Prozent wahr ist, bleibt das Geheimnis der Jünger von Bayes. Wahrscheinlichkeiten ergeben als Wahrheitswerte von Theorien so wenig Sinn, wie sie es bei Existenzfragen tun.

Lasst sie rechnen!

Was also tun mit der Bayesschen Statistik? Wollen die Popperianer sie verbieten oder zusammen mit der Stringtheorie in andere Fakultäten verbannen? Weder, noch – lasst sie rechnen! Wer derlei unterstellt ist einem weit verbreiteten Vorurteil zu Poppers Wissenschaftstheorie aufgesessen. Es lautet: Popper erwarte von Wissenschaftlern, dass sie den ganzen Tag Versuche durchführen, die geeignet sind, ihre eigenen Theorien zu widerlegen. Die poppersche Sichtweise behindere deshalb die Kreativität im Wissenschaftsbetrieb.

Dem ist nicht so. Um es deutlich zu sagen: Es völlig egal, wie man zu einer Hypothese kommt. Der Chemiker August Kekulé schlief vor dem Kamin ein und träumte, wie sich eine Schlange in den eigenen Schwanz biss. Dadurch kam ihm die Idee zu seiner berühmten ringförmigen Benzolformel. Er soll deshalb später immer wieder in Vorlesungen gesagt haben: „Lernen wir träumen, meine Herren, dann entdecken wir vielleicht die Wahrheit!“ „Unwissenschaftlicher“ geht es kaum, es ist aber trotzdem – auch nach Popper – erlaubt. Entscheidend ist nach Popper nämlich allein, „dass wissenschaftliches Verhalten erst mit der falsifikativen Überprüfung beginnt“ (Hinterberger). Man kann also auf beliebige Weise die verrücktesten Theorien entwickeln und dafür kann und soll man auch Bayessche Statistik verwenden. Aber wenn aus einer Theorie eine naturwissenschaftliche Theorie werden soll, muss man irgendwann damit beginnen, sie an Hand von Beobachtungen zu überprüfen. Gelingt dies nicht, dann ist die Theorie – in der Tat – noch nicht einmal falsch.

Nachts sind alle Schwäne grau

Matthews Artikel in Spektrum der Wissenschaft trägt übrigens den Titel „Manche Schwäne sind grau“. Er will damit wohl sagen, man müsse die Sache differenziert betrachten und dürfe nicht schwarz-weiß malen. Das klingt immer gut. „Grau“ soll hier wohl bedeuten, dass die Theorie „wahrscheinlich richtig“ ist – und das ist doch auch schon was, oder? Aber auch mit diesem Bild zielt Matthews einmal mehr knapp daneben, denn nicht die Schwäne selbst stehen in Poppers Gleichnis für die Theorien, sondern der Satz „Alle Schwäne sind weiß“. Ein Schwan an sich kann niemals „wissenschaftlich“ oder „richtig“ sein, sondern nur eine Aussage über einen Schwan.

Doch, um in diesem schiefen Bild zu bleiben: Wenn wir das Licht ausdrehen, indem wir eines der wenigen klaren Kriterien zur Identifikation von Wissenschaftlichkeit entfernen, wird es wieder Nacht. Und dann sind bekanntlich sowieso alle Schwäne grau.

Weitere Links zum Thema:

Frontalangriff auf die wissenschaftliche Methode (Spektrum der Wissenschaft)

Not Even Wrong (Blog von Peter Woit)

Abbildung mit freundlicher Genehmigung von Spektrum der Wissenschaft
Posted by:Axel Stöcker

Axel Stöcker studierte Mathematik und Chemie. Seit 2016 bloggt er zu den „großen Fragen“ der Wissenschaft und des Lebens im Allgemeinen und war damit schon mehrfach für den Wissen-schaftsblog des Jahres nominiert (https://die-grossen-fragen.com/). Einen Schwerpunkt bilden dabei die Themen Bewusstsein und freier Wille. Dazu interviewt er auf dem YouTube-Kanal „Zoomposium“ zusammen mit Dirk Boucsein bekannte Hirnforscher wie Wolf Singer oder Gerhard Roth. Seine Gedanken zu diesem Thema hat der „Skeptiker mit Hang zur Romantik“ nun in dem Roman „Balduins Welträtsel“ verarbeitet.

31 Antworten auf „New Age in der Physik (2) – Mit Bayes ins Nirwana

  1. Nicht schlecht. Nur, dass alles Licht ist. Da gibt es WIRKLICH weder Schwäne, noch grau, noch Strings.
    Physik hat noch Einiges zu lernen. Doch alles zu seiner Zeit, die noch physikalisch als wirklich erscheint…

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  2. Wo ein Subjekt, dort eine Subjektivität.
    Wo eine Subjektivität, dort ein Meer aus Objekten.
    Wo Subjekt und Objekte, dort Bewegung und Vielfalt.
    Wo Subjekte, Objekte, Bewegung der Vielfalt, dort nur Zeit- Raum, subjektiv- objektiv – vergängliche Eindrücke.
    Wo dies vorhanden, dort Illusion, weil vergänglich und pur persönlich.
    Wo Illusion vorhanden, dort nur Dualität vorhanden und mehr oder weniger Zeiträumlichkeit, die als persönliche vergängliche Subjektivität wahrnehmbar ist.

    WIRKLICHKEIT VERGEHT NICHT.
    WIRKLICHKEIT BEGINNT NICHT.
    WIRKLICHKEIT IST NICHT VIELFÄLTIG.
    WIRKLICHKEIT ÄNDERT UND BEWEGT SICH NICHT.
    Sie kennt weder Etappen, noch irgendeine Trennung.

    Diese ist der Zustand der Unbeweglichkeit, die jedoch nicht starr ist.
    Das ist absolut über-persönlich, über-subjektiv, allwisend, allfähig, unzertrennlich, unleidend, jenseits vom Zeitraum, Eindruck, von Bewegung, Interpretation, Ursache und Wirkung(Kausalitätslosigkeit).

    Wo ein Tropfen, dort ein Meer.
    Wo Tropfen und Meer, noch kein Wasser.
    Wo Wasser, da kein Meer und Tropfen.

    Erkenntnis ist die Wahrnehmung der Einheit, wo weder ein Objekt, noch ein Subjekt vorhanden sind.
    Wenn man sich als Wasser erkennt, dort ist kein Leiden, weil keine Trennung mehr vorhanden.

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  3. Hallo erstmal.

    Karl Poppers beschreibt in seiner “Logik der Forschung” wie eine „wissenschaftliche Theorie“ formuliert sein sollte, nämlich so, daß sie grundsätzlich widerlegbar sein müsse. “Wann immer wir nämlich glauben, die Lösung eines Problems gefunden zu haben, sollten wir unsere Lösung nicht verteidigen, sondern mit allen Mitteln versuchen, sie selbst umzustoßen.” – Karl Raimund Popper

    Das ist übrigens ein Element des Werkzeugkastens „Forschungsmethoden“, welches auch andere, z.B. Mitarbeiter von Strafermittlungsbehörden tagtäglich anwenden.

    Axel Stöcker: „…wie Popper selbst formulierte: „Ein empirisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können.“

    Im materiellen Bereich ist das zunächst kein Problem. Nur kommt die Empirie als Ganzes sehr schnell an ihr Ende. Auf einer Skala der Möglichkeiten steht ihr nur ein sehr schmaler Spalt zur Verfügung. Hier kann sie uns bis zu einem gewissen Grad helfen (oder schaden) – mehr kann sie nicht.

    Die wirkliche Wirklichkeit ist viel größer (gegen unendlich), als daß wir mit unseren kindischen (2) Methoden an sie heranreichen könnten.

    Wir sollten dringend zwischen WIRKLICHKEIT
    und WIRKLICHER Wirklichkeit unterscheiden.

    Über den ersten Begriff von Wirklichkeit können wir uns in den meisten Angelegenheiten mit Karl Popper und fast allen übrigen Menschen – auf der sozialen Ebene – verständigen.

    Nicht so über den zweiten Wirklichkeits-Begriff, von dem auch Muktananda spricht. Mit ihm verlassen wir die Horizontale; wir befinden uns in der Vertikalen. Hierhin reicht die Wissenschaft nicht, hier ist keine „Objektivierbarkeit“ möglich. Wir haben die Ebene der Objekte und auch die der Logik verlassen.

    Klingt vielleicht wie ein Paradox, ist es in WIRKLICHKEIT aber nur
    dann, wenn wir zwischen den Ebenen… einen Abstand projizieren.

    Das, was wir gemeinhin „Wirklichkeit“ nennen, ist in Wirklichkeit eine RELATIVE, eine vermeintliche, genauer gesagt, eine Schein-Wirklichkeit. Auf der sozialen Ebene gibt es aber nun mal das duale Erleben (und Deuten), also braucht es auch das duale Denken. Unsere Deutung der Dinge (via dualem Denken) ist also beileibe nicht die letztendliche Wirklichkeit, dennoch ist sie auf dieser Ebene genau SO erforderlich: Eine Kaffeetasse ist eine Kaffeetasse.

    In Wirklichkeit (Vertikale) ist alles EINS.

    Aber für den Aldi-Einkauf auf der relativen Ebene bedarf es der Unterscheidungskompetenz, bedarf es der IDEE von Wirklichkeit (Horizontale).

    Zur Naturwissenschaft: Jeder Handwerker weiß, wann er mit seinen Werkzeugen und Methoden am Ende seines Lateins angekommen ist. Er kennt sie sehr genau, die Bandbreite seiner Optionen. Solange unsere Wissenschaft die Spanne ihrer Möglichkeiten und die Grenzen ihrer Möglichkeiten nicht genauso klar sehen kann oder will, bleibt sie auf einem kindischen (2) Niveau.

    „1990 fand der sog. Kasseler Wünschelrutentest statt, der die Wirkungslosigkeit der Wünschelrute eindeutig belegt.“ (Winfried Müller)
    „In den Naturwissenschaften besteht heute der Konsens, dass die behaupteten physikalischen Wirkungszusammenhänge nicht existieren.“ (Wikipedia)

    Ich selber bin in der Sache eher Agnostiker: Weder glaube ich an die Funktion, noch glaube ich, daß es sie nicht gibt oder daß es sich hierbei um Humbug handelt. Der (Themen-)Bereich ist nicht meiner, aber was mich hier interessiert, ist der Umgang der vermeintlichen „Wissenschaft“ mit dem Phänomen.

    Ich sah mal zufällig von meinem Fenster aus, wie ein Mann in grauem Kittel mitten auf der Straßenkreuzung mit einer solchen Rute hantierte, anschließend mit gelber Kreide auf den Boden ein Rechteck zeichnete und wieder verschwand. Die Szene war schon wieder vergessen, als mich anderntags um 7:00 Uhr früh der Lärm eines Preßluft-Meißels weckte: Im gelben Rechteck war nun ein Loch, in dem ein Arbeiter den Tag verbrachte. Am darauf folgenden Tag erinnerte nur noch ein etwas dunkleres Asphalt-Rechteck an die für mich ungewöhnliche Lokalisierung einer Reparaturstelle.

    Stadtwerke nutzen die Dienste von Wünschelrutengängern, Firmen, welche Wasserbrunnen anbieten und Ölkonzerne ebenfalls. Entweder haben diese Unternehmen ein Herz für Scharlatane, oder sie wissen kostensenkende Fähigkeiten zu schätzen, denn diese Fachleute können nicht nur Orte, sondern auch Bohr-Tiefen angeben.

    Die Wissenschaft gibt sich (unwissentlich) sektiererisch ignorant, wenn sie – weil sie über die derzeit anerkannten Standard-Methoden keine Auslenkung feststellen kann – das Phänomen als solches einfach negiert, anstatt anzuerkennen, daß ihre Methoden offensichtlich noch nicht der Weisheit letzter Schluß sein können.

    Hier stößt der Herr Popper mit seiner Methodik an die Grenze (der Intelligenz).

    Wie jeder Handwerker müssen wir die Intelligenz nutzen, wenn wir herausfinden wollen, wann welche Methode sinnvoll ist und wann nicht. Starr an tradierten Methoden festhalten und in jeder beliebigen Situation anwenden zu wollen, ist kindisch (2) und deutet auf erhöhte Intelligenz-Resistenz. 😉

    Entweder kann die Wissenschaft für ein Phänomen Erklärungsmuster anbieten – oder sie kann es nicht. Die Existenz eines Phänomens ist nicht abhängig von der Logik der Wissenschaft und deren Modelle. Die Phänomene pellen sich ein Ei darauf, ob sie vor den Professoren einer Fakultät Anerkennung finden, oder nicht. 🙂

    Es muß auch gar nicht alles in Formeln gegossen werden. Sie sind doch kein Selbstzweck, sondern nur dann interessant, wenn sie uns (wie auch andere Sprachmodule) von Nutzen sind.

    Theorien, Modelle und Methoden haben ihre
    Umgebung, ihre Konstellationen und ihre Zeit.

    Eine Intelligenz-affine und seriöse Wissenschaft wird kein einziges Phänomen leugnen, sondern sagen: „Allem Anschein nach ist unter bestimmten Umständen ein Phänomen wirksam, dessen „Funktionsweise“ mit unseren Methoden nicht nachweisbar ist, bis dato also… unerklärlich.“

    Grüße von Nirmalo

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  4. Ich würde die wissenschaftlichen Methoden nicht per se als „kindisch“ bezeichnen. Dazu sind sie doch zu ausgefeilt und dazu haben sich zu viele große Geister daran abgearbeitet, als dass man sie als kindisch abtun könnte.
    Allerdings: Wenn Wissenschaftler anfangen in jedem Problem einen Nagel zu sehen, nur weil ihr Lieblingswerkzeug ein Hammer ist, dann kann man das Ganze schon als kindisch bezeichnen. Denn Kinder können noch nicht vom eigenen Standpunkt abstrahieren und genau daran mangelt es in diesem Fall auch dem Forscher. Insofern würde ich, wenn man es nicht pauschal auf alle Wissenschaftler bezieht, durchaus zustimmen.
    Um Wünschelrutengänger dafür ein gutes Beispiel sind, kann ich mangels Detailkenntnis nicht beurteilen. Grundsätzlich sollte dieses Phänomen aber empirisch untersuch- und nachweisbar sein, denn man hat es ja mit ganz klaren Beobachtungsergebnissen (Wasserader ja oder nein) zu tun.

    „Hier stößt der Herr Popper mit seiner Methodik an die Grenze (der Intelligenz).“
    Ich bin nicht der ganz große Popper-Kenner, aber so wie ich ihn verstanden habe, lehrt er keinerlei konkrete Methodik, sondern gibt Kriterien für Wissenschaftlichkeit an. Dabei bezieht er sich explizit auf „wissenschaftlich-empirische“ Systeme und damit sind seine Grenzen trivialerweise dort erreicht, wo es um andere Denksysteme geht. Man kann diese meinethalben mit der Metapher „vertikal“ beschreiben, wobei ich noch nicht so ganz verstanden habe, was genau damit gemeint ist.

    „Wie jeder Handwerker müssen wir die Intelligenz nutzen, wenn wir herausfinden wollen, wann welche Methode sinnvoll ist und wann nicht. Starr an tradierten Methoden festhalten und in jeder beliebigen Situation anwenden zu wollen, ist kindisch (2) und deutet auf erhöhte Intelligenz-Resistenz.“
    Grundsätzlich d’accord, aber ich verstehe nicht worauf Sie hier anspielen. Im Text habe ich ja gerade geschrieben, dass Bayes als Methode zulässig ist, nur eben nicht als Wissenschaftskriterium. Ich sehe also niemanden, der „starr an tradierten Methoden festhalten“ will.

    „Entweder kann die Wissenschaft für ein Phänomen Erklärungsmuster anbieten – oder sie kann es nicht. Die Existenz eines Phänomens ist nicht abhängig von der Logik der Wissenschaft und deren Modelle. Die Phänomene pellen sich ein Ei darauf, ob sie vor den Professoren einer Fakultät Anerkennung finden, oder nicht.“
    Erklärungsmuster für bestimmte Phänomene sind per se noch keine Naturwissenschaft – das ist genau der Punkt. Sie werden es erst dadurch, dass sie falsifizierbare Vorhersagen machen.
    Wissenschaft, die Phänomene ignoriert, ist schlechte Wissenschaft oder auch gar keine. Natürlich gilt das Primat der Phänomene, um es mal etwas geschwollen auszudrücken. Grundsätzlich ist das auch unbestritten, aber es gibt natürlich auch bei Wissenschaftlern das Phänomen der selektiven Wahrnehmung.

    „Theorien, Modelle und Methoden haben ihre
    Umgebung, ihre Konstellationen und ihre Zeit.“

    So ist es! Man hat das Universum schon als großes Tier, als Uhrwerk und als Computer betrachtet. Immer im Geist der Zeit und immer mit dem Anspruch: diesmal haben wir’s! Da muss erst der Narr kommen und einem den Spiegel vor’s wissenschaftliche Gesicht halten!

    Mit fastnächtlichen Grüßen
    AS

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  5. Eine Theorie muss falsifizierbar sein, als empirische Theorie, sonst fällt sie aus dem Raster einleuchtender Naturerklärungen? Aber dann hat es sich mit der einleuchtenden, wissenschaftlich-faktenbasierten, Naturerklärung laut Popper doch so oder so erledigt? Ist sie falsifizierbar, kann sie nicht als Modell allgemeingültig sein. Ist sie nicht (real!!) falsifizierbar, ich denke hier an String-Theorie oder an das Randall-Sundrum-Modell, wird sie komplett abgelehnt nach Popper, oder wie darf ich das jetzt verstehen?

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    1. Eine wissenschaftliche Theorie muss falsifizierbar sein. Sie darf aber natürlich nicht falsifiziert sein, denn sonst wäre sie ja widerlegt bzw. müsste modifiziert werden. Eine Theorie ist also so lange gültig, wie sie nicht falsifiziert wurde. Und je mehr Falsifizierungsversuche sie überstanden hat, desto größer wird das Vertrauen in die Theorie (Beispiel: Quantentheorie).
      Theorien müssen also Voraussagen machen, die durch Beobachtungen überprüft werden können. Nur dann sind sie wissenschaftlich. Wissenschaftlichkeit hat aber ihren Preis, denn wer Voraussagen macht, kann widerlegt werden.
      Wer dagegen über den Aufbau unbeobachtbarer paralleler Unversen fabuliert, kann zwar nicht widerlegt werden, aber er kann dann auch nicht den Anspruch der Wissenschaftlichkeit erheben.

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      1. Solange eine Theorie immer wieder durch andere ersetzt wird, ad infinituum, wird keine Bestätigung als die der Praxis sine-qua-non .
        Theorie bleibt Staub, denn sie basiert nur auf Vorstellung, Wunsch und Interesse. Diese drei sind die elementaren Partikularitäten des pendelnden menschlichen getrennten Denkens, das nicht im Stande ist, die Unzertrenlichkeit, die Einheit von allem zu erfassen und infolge dessen zur WIRKLICHKEIT zu gelangen.
        Theorie bleibt Staub, denn sie basiert auf eigenen Thesen, Hypothesen und Antithesen. Darum sind sie Prothesen der Fakten.

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      2. Theorien haben eigentlich gar nicht den Anspruch „die Wirklichkeit“ oder „die Wahrheit“ zu erklären. Das wird nur immer gerne vergessen, weil bestimmet Wissenschaftler wie z. B. Hawking die Öffentlichkeit suchen und unter dem Mäntelchen der Wissenschaft ihre privaten Meinungen zu Gott und der Welt verbreiten.
        Aber tatsächlich sind die Ansprüche sehr viel bescheidener. Man will bestimmte Teile der Welt erfassen und modellhaft abbilden.
        Trotzdem sind die philosophischen Fragen, die sich daraus ergeben oft enorm. Man denke z. B. an die Quantentheorie.

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      3. Die einzige, doch fundamentale Rolle der Theorie besteht darin, den Theoretiker auf die Suche nach dem endgültigen Beweis durch die daraus resultierende Praxis zu schicken.

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      4. Die NOTWENDIGKEIT der PRAXIS ist das Fundament aller Theorie.
        Wenn man hungert, so MUSS man essen.
        Wenn man durstet, so MUSS man trinken.

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  6. Theorie ist falsifizierbar, ignorierbar, missverständlich und vergessbar solange sie nicht durch die Praxis verifiziert wird. Das nennt mal einfach PHILOSOPHIE.
    Philosophen, seinen sie`s auch die glänzendsten, blieben nur Theoretiker.
    Doch die Praxis schlägt immer die Theorie, Wissenschaft und Meditation schlagen immer die Philosophie.
    Theorie ohne Praxis ist wie die Erde ohne Axis.

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  7. Der Kosmos besteht nicht aus Quanten und auch nicht das Leben aus Momenten, sondern nur das Denken aus Segmenten.
    Das Individuum denkt- und solange es denkt, wird es von der Einheit getrennt.
    INDIVIDUALITÄT ist eigentlich, wie auch der Name zeigt, die Einheit, doch die Person das DIVIDIERTE, denn das Denken als DIVISOR fragmentiert, dividiert und ständig revidiert seine unkorrekten Thesen und Modelle zum „Aufbau“ der Wirklichkeit.
    Das Denken besteht selbst aus Modellen eigener Vorstellungen.

    Das Leben ist Bewusstsein, das sich selbst aus sich und in sich selbst als erdachter Wirbel hinausprojiziert, unzertrennlich, abhängig nur von sich als kosmisches Denken, das alles als multidimensionaler Gedanke ewige Konturen in ewig zyklischer Bewegung annimmt. Es ist eine torusformige Blase energetischer Urgedankens, der sich stets manifestiert. Dies kann einzig und allein im Zustand tiefer Meditation gesehen werden.

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  8. Auch die glänzendsten Gedanken sind nur springende Funken im Feuer des Zeitrads.
    Das einzige Licht der Ewigkeit ist das Wahrnehmbar-Undenkbare.

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  9. Man braucht keinen soliden Verstand, um sich nie endenende Fragen zu stellen.
    Man braucht dafür aber das Wissen, um allen Fragen die Antwort zu geben.
    Man braucht dafür nur das Vertrauen, das Eis der Logik aufzutauen: in das eigene Herz einzugehen.

    Im Herzen findet das Denken alle Antwort.
    Denn das Herz beherbegt das All, in welchem das Denken schwimmt; und das Herz beherbegt das Denken, worin das All schwimmt.
    Was das Denken teilt, ist immer Eines im Herzen.
    Was das Denken fragt, ist immer als Antwort im Herzen.

    Im Herzen ist der Wohnsitz der Wirklichkeit, im Kopf nur der, der Illusion.

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  10. Bayes funktioniert nicht so, wie du es darstellst.

    Wenn eine Theorie etwas definitiv vorhersagt, und die Messung bestätigt, dass dieses Ergebnis nicht gefunden wird, fällt die Wahrscheinlichkeit der Theorie ab – nicht auf 50%, sondern auf 0%. Wenn eine Theorie von Widerlegung ihrer Vorhersagen nur geringfügig in der Wahrscheinlichkeit geschwächt wurde, dann war sie – nach Bayes-Sicht – eine sehr schwache Theorie. Bayes hält es völlig mit Popper: die Stärke einer Theorie ist abhängig davon wieviel sie aufs Spiel setzt. Daher ist Bayes auch kein Schutz der Stringtheorie, zudem diese Theorie so viele Spielräume und freie Variablen hat, dass sie in der konkreten Instanz von vornherein abgestrichen wird (Kolmogorov-Prior) und als Vorwahrscheinlichkeit eher auf 1% als 60% steht.

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    1. „die Stärke einer Theorie ist abhängig davon wieviel sie aufs Spiel setzt.“

      Was soll das bedeuten? Eine Theorie macht Voraussagen. Aber inwiefern kann sie einen Einsatz machen?

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      1. Da Bayes sich mit Wahrscheinlichkeiten beschäftigt, kann man ihn sich als das kontinuierliche Analog zum diskreten Popper vorstellen. Also wo Popper sagt, eine Theorie muss falsifizierbar sein und wenn sie falsche Vorhersagen trifft dann stimmt sie nicht, sagt Bayes, eine Theorie muss messbare Vorhersagen treffen, und kann diesen Vorhersagen Wahrscheinlichkeiten zuweisen, und je höher die zugewiesene Wahrscheinlichkeit ist, um so stärker ist die Theorie – und um so mehr verliert sie an Wahrscheinlichkeit, wenn die vorhergesagte Messung nicht eintritt. Im Extremfall hast du eine Theorie die einfach nur sagt, „vielleicht passiert es, vielleicht auch nicht“, also die den Vorglauben um 0db verschiebt, und diese Theorie kann niemals widerlegt werden, aber hat auch keine Aussagekraft. Je schärfer sich eine Theorie festlegt, um so stärker, also nützlicher, ist sie – und um so stärker ist sie getroffen, wenn sie unrecht hat.

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      2. Bayes als Verallgemeinerung von Popper, das hatte ich bisher so noch nicht betrachtet. Ich weiß nicht, ob das auch Matthews Standpunkt ist. Wenn ja, hat er es in seinem Artikel jedenfalls sehr schlecht dargestellt. Vor allem verstehe ich dann nicht, dass er erst einmal versucht, Popper als unbrauchbar hinzustellen (siehe erster Teil des Beitrages https://die-grossen-fragen.com/2017/10/13/new-age-in-der-physik-i/).
        Zusammengefasst würde das in etwa bedeuten: Je konkreter die Vorhersagen einer Theorie, desto „widerlegbarer“ ist sie.
        Ich habe ja auch nicht grundsätzlich was gegen Bayes. Beim Spamfilter beispielsweise funktioniert er ja. Aber trotz Deines Einwandes habe ich doch erhebliche Zweifel, ob er ausgerechnet in der Kosmologie das letztgültige Kriterium für Wissenschaftlichkeit sein kann. Denn man hat Millionen von Emails, um bei diesem Beispiel zu bleiben, die man auf Schlüsselwörter untersuchen kann, aber wir haben nur ein Universum, das wir vermessen können. Es ist also einleuchtend, dass Statistik bei den Emails weiterhilft. Aber beim Universum??

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      3. Klar, wenn man was besseres hat, sollte man was besseres verwenden. Bayes sagt definitiv nicht, dass du den Kopf in den Sand stecken und nur probabilistische Argumente zulassen solltest. Wenn eine Beobachtung deine Theorie von 60% nur auf 50% bringt, sagt die 50% auch mehr über dich aus als über die Beobachtung. In dem Sinne ist das wesentliche eben die 10%ige (1db) Verschiebung – das heißt, wenn du von vornherein nicht viel von der Theorie hältst, sollte die Beobachtung deine Meinung auch nicht stark ändern.

        Meiner Ansicht nach, ist probabilistische Logik am nützlichsten wenn man noch nicht genug Information hat um sich verlässlich festzulegen. Sie ermöglicht einem also eine Meinung zu pflegen, wärend man auf verlässlichere Messungen wartet. Sie bildet daher keinen *Ersatz* für die strikte Wissenschaft, sondern eine *Ergänzung*, die am Limit ohnehin auf Popper hinausläuft.

        Soweit ich dem Artikel entnehmen kann, sind die Argumente die Matthew gegen Popperianischen Verifikationismus bringt, von ES. Yudkowsky auf dem Community-Blog LessWrong in besserer und verständlicherer Form gebracht worden. Wenn möglich, rate ich daher dazu die Argumente im (originalen?) Englisch zu lesen. https://www.readthesequences.com/ hat eine gute Übersicht, wenn du einen Nachmittag freihast; in Zusammenfassung ist das Argument nicht, dass Wissenschaft zu eng ist, sondern im Gegenteil dass sie im Vergleich zu Bayes, der am Limit ohnehin auf Wissenschaft konvergiert, zu viele Freiheitsgrade lässt. Das Beispiel mit Einstein und Relativität deutet darauf hin. Hätte Einstein einfach abgewartet, was die Messungen sagen, wäre er mit der Wissenschaft völlig konform gewesen. Aber seine Intuition von der Wichtigkeit, der Gewichtung der Kohärenz seiner Theorie, überzeugte ihn *früher* als es die wissenschaftliche Methode erlaubt hätte – aber trotzdem von der richtigen Folgerung, und aus ultimativ dem richtigen Grund.

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  11. Ignoranz braucht Wahrscheinlichkeiten, Theorien, Vorhersagen, Prädiktibilitäten, Kalkül und Meßbarkeiten, braucht Skala und Grade, um Thesen und Hypothesen aufzustellen- einiges oder alles davon. Danach setzt sie sich eine dämpfende Titelkrone auf den Kopf und träumt glorreich ununterbrochen.
    Ignoranz sieht Zeitraum als Wirklichkeit und Grenzen als Unendlichkeit.

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  12. Wissen bedeutet keine Theorie/-n, sondern Praxis.
    Wahrscheinlichkeit ist das Ergebnis des unendlichen Energiepotentials, das alle möglichen Ebenen/Frequenzen, Richtungen und darum auch unendlichen Formen annehmen kann und auch wird.
    Wie die Ursache, so die Wirkung.
    Unendliche Ursache, unendlichen Wirkungen.
    Was endlich ist, ist nur der Zyklus.
    Doch ein zyklischer Verstand EINER FREQUENZ kann nicht das unendliche Unverständliche verstehen.

    Der Verstand ist das Pendel zwischen links und rechts. Und auch dies, zu oft wiederholt, bringt es zum Rosten.

    Ein gelöcherter Eisenbecher wird nie den ganzen Ozean messen können.

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  13. muktananda13 schreibt: 2. April 2018 um 13:47: „Der Verstand ist das Pendel zwischen links und rechts. Und auch dies, zu oft wiederholt, bringt es zum Rosten.“

    Denn mit der Überbewertung des (intellektuell funktionierenden) Verstandes engen wir uns unnötigerweise selber ein.

    Mit einer Kombizange können wir viel bewerkstelligen, aber schon der Rolex-Meister wird uns sofort der Werkstatt verweisen: „Zu grob! Zu primitiv!“

    Der Verstand ist ein großartiges Multifunktionswerkzeug, wenn wir denn in der Lage sind, seine Möglichkeiten UND seine Grenzen zu erkennen. – Eine Frage der Nutzung der Intelligenz.

    Mit einem (vergleichsweise primitiven) Werkzeug alle Fragen des
    Lebens beantworten zu wollen, ist kein intelligentes Verfahren 😉

    Ebenso sind die Konstrukte des Verstandes (Methoden) in einigen Bereichen des Lebens, z. B. auf der sozialen und technischen Ebene, sinnvoll einzusetzen, in anderen Bereichen wäre/ist ihre Nutzung einfach nur dumm.

    Die Formeln für die Konstruktion einer (Dampf-)Maschine zu entwickeln, ist sinnvoll, weil auf der technischen Ebene praktisch, aber…

    Die Idee, die Welt mit Hilfe des Verstandes
    ausmessen zu wollen, ist eine kindische (2).

    Fröhliche Ostergrüße 🐰
    von Nirmalo

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  14. Entwicklung besteht aus Parteien , Partikeln , Parten.
    Eine Dampfmaschine wird immer davon aufgriffen.

    Intelligenz ist mehr als Denken, als Logik, als Fühlen.
    Sie ist …

    Intel -leggere.

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  15. Wenn Einheit als Partei verstanden oder gefühlt wird, wird da Partei aufgegriffen.
    Wird man Partei aufgegriffen, verliert man die Einheit.

    Ein Tropfen verliert den Wassersinn, solange er am Unsinn des Ozeans festhält.

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  16. Hallo Axel, Sie schreiben am 13. Februar 2018 um 23:55: „Ich würde die wissenschaftlichen Methoden nicht per se als “kindisch” bezeichnen.“

    Ich auch nicht. Aber ich will die wissenschaftlichen Methoden auch nicht PER SE als wissenschaftlich (im besten Sinne), nicht per se als großartig, intelligent, nützlich, zielführend, brauchbar… erklären. Bei genauerem Hinsehen könnten sich einige als albern herausstellen.

    Differenzierung verleugnet nicht die
    grundsätzlich mögliche Nützlichkeit.

    Im Gegenteil. Der Handwerker nennt seine Werkzeuge auch nicht per se nützlich oder unbrauchbar. Er wählt für das jeweilige Problem das passende Werkzeug. Das nennen wir:

    Intelligentes Handeln.

    Im Unterschied zu manchen „Wissenschaftlern“ und ihrem intellektuellen Dunstkreis: Er philosophiert nicht lang und breit über seine und anderleuts Methoden. Er denkt dabei vielleicht nicht mal nach. Vielleicht handelt er sogar eher intuitiv bei der Wahl von Werkzeug und Methode. Gelegentlich liegt er auch mal schief. Dann wählt er eine andere Methode, ohne eine breite theoretische Abhandlung mit logischer Begründung zu verfassen. 😊

    Axel Stöcker: „Dazu sind sie doch zu ausgefeilt“

    Es gibt auch ausgefeilten Blödsinn.

    „Aber sie mühten sich doch redlich.“ 🤗 „Ausgefeilt“ darf für sich noch kein Kriterium sein! Es kann auch bedeuten, daß vom Werkstück nichts mehr übrig geblieben ist. Es ist erst dann gut, wenn es sich zielführend einfügen läßt.

    Ich brachte oben das Beispiel mit dem „wissenschaftlichen“ Test der „Wünschelrute“. Die Untersuchung kam in Kassel (flapsig ausgedrückt) zum Ergebnis: „Wünschelrute ist Blödsinn.“ Fakt ist aber, daß sich einige große Firmen die Fähigkeiten dieser Leute zu Nutze machen.

    Stellt sich die Frage, ob nicht vielleicht die „Wissenschaftler“ mit ihrer Methodik auf dem Holzweg sind und nicht die Männer mit ihren primitiven Zweigen. Konkret: Möglicherweise kann man einem solchen Phänomen nicht mit dem Drehen von Wasserhähnen beikommen.

    Hier steht die Methodik auf dem Prüfstand.

    Axel Stöcker: „und dazu haben sich zu viele große Geister daran abgearbeitet“

    Welche und wie viele „große Geister“ sich an Blödsinn auch abgearbeitet haben mögen: Blödsinn bleibt Blödsinn.

    Axel Stöcker: „große Geister“

    Ein schönes Beispiel für Blödsinn. 👍 So etwas gibt es nicht (außer als Projektion aufgrund einer Minderwertigkeitsproblematik).

    Wenn wir genauer hinsehen: Niemand ist 24/7 ein „großer Geist“. Und niemand ist 24/7 ein „Blödmann“. Es sagte mal jemand: „Nichts Menschliches ist mir fremd.“ Es scheint, als hätte dieser Mann sehr genau hingesehen, denn ja, alles ist jederzeit vorhanden: Vom Niedrigsten bis zum Höchsten. Aber zumeist… zeigt sich bloß das angepaßte Mittelmaß. Alles andere bleibt latent.

    Axel Stöcker: „…würde ich, wenn man es nicht pauschal auf alle Wissenschaftler bezieht, durchaus zustimmen.“

    Natürlich nicht. Nicht generalisiert. Allerdings sollten wir die MÖGLICHKEIT jederzeit in Betracht ziehen.

    Die definierte Sparte, in der eine Methode angewendet wird,
    weist möglicherweise auch auf die Grenze ihrer Anwendbarkeit.

    Axel Stöcker: „(Popper) gibt Kriterien für Wissenschaftlichkeit an.“

    Alles muß in Frage gestellt werden können, selbstverständlich auch die Kriterien für Wissenschaftlichkeit.

    Die definierte Sparte, in der wissenschaftliche Kriterien Anwendung finden, stellt gleichzeitig diese Kriterien und auch die Qualität dessen, was „wissenschaftlich“ genannt wird, auf den Prüfstand.

    Axel Stöcker: „Naturwissenschaft … erst dadurch, dass sie falsifizierbare Vorhersagen machen.“

    Ja, diese „Methode“ (oder wie immer das Ding auch genannt wird) hat in weiten Bereichen ihre Berechtigung und funktioniert. Aber sie hat eben auch ihre Grenzen. Wenn diese nicht gesehen werden (können oder wollen), das Phänomen aber immer noch existent ist, muß die Methode in Frage gestellt werden. Und hier gibt es scheint´s ein Tabu.

    Viele der „wissenschaftlich“ genannten Methoden finden alltäglich bei den Menschen allgemeine Anwendung, so auch „falsifizierbare Vorhersagen verifizieren“, ohne daß Aufhebens davon gemacht wird.

    Axel Stöcker: „Wissenschaft, die Phänomene ignoriert, ist schlechte Wissenschaft oder auch gar keine.“

    100% einig.

    Heiteren Sturz
    in den Frühling 🌾
    wünscht Nirmalo

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