Eine wesentliche Erkenntnis der modernen Physik lautet: Nichts ist nicht Nichts. Korrekter formuliert: Das Vakuum enthält etwas. Was wir uns als die absolute Leere vorstellen ist in Wirklichkeit ein Meer von Möglichkeiten, in dem „Wirbel“ Teilchen hervorbringen.

Wie soll man das bitte verstehen? Professor Gerd Ganteför, Physiker, Emeritus der Universität Konstanz, Buchautor und bekannter YouTuber hat dafür, wie für viele andere Fragen auch, ein anschauliches Bild parat: Vielleicht ist das Vakuum für uns das, was für den Fisch das Wasser ist, denn der kann sich auch nicht vorstellen, dass Wasser „etwas“ sein soll, weil er nichts anderes kennt.

Dirk Boucsein von philosophies und ich sprachen mit Gerd Ganteför darüber, ob sich das Universum anders verhält, wenn es betrachtet wird (ja!), über die Rolle von Information im Weltbild der Physik und wie sie mit dem Phänomen Leben zusammenhängen könnte und darüber, ob „Scotty, beam me up“ irgendwann Realität werden könnte. Hier wie immer der Teaser. Zum vollständigen Interview geht es hier.

Posted by:Axel Stöcker

Axel Stöcker studierte Mathematik und Chemie. Seit 2016 bloggt er zu den „großen Fragen“ der Wissenschaft und des Lebens im Allgemeinen und war damit schon mehrfach für den Wissen-schaftsblog des Jahres nominiert (https://die-grossen-fragen.com/). Einen Schwerpunkt bilden dabei die Themen Bewusstsein und freier Wille. Dazu interviewt er auf dem YouTube-Kanal „Zoomposium“ zusammen mit Dirk Boucsein bekannte Hirnforscher wie Wolf Singer oder Gerhard Roth. Seine Gedanken zu diesem Thema hat der „Skeptiker mit Hang zur Romantik“ nun in dem Roman „Balduins Welträtsel“ verarbeitet.

2 Antworten auf „Das Gewebe der Wirklichkeit – Gerd Ganteför im Gespräch

  1. Guten Abend Axel, guten Abend Herr Prof. Ganteför (falls Sie hier Kommentare lesen),

    vielen Dank für das sehr kurzweilige Interview, man wünscht sich am Ende, es würde noch eine Stunde länger gehen!

    Das Thema Teilchen im Verhältnis zur Raumzeit hat mein besonderes Interesse gefunden. Konkret spricht Herr Prof. Ganteför nicht nur von „Wirbeln“, die Teilchen hervorbringen, sondern von „Raumzeit-Wirbeln“. Ab dieser Wortwahl fehlt eigentlich nicht viel, um das Wort Teilchen ganz zu streichen, wie es Einstein vorschlug (z. B. im Buch „Die Evolution der Physik – Von Newton bis zur Quantentheorie“):

    „Können wir den Materiebegriff nicht einfach fallenlassen und eine reine Feldphysik entwickeln? Was unseren Sinnen als Materie erscheint, ist in Wirklichkeit nur eine Zusammenballung von Energie auf verhältnismäßig engem Raum. Wir können die Materiekörper als eine Region im Raum betrachten, in denen das Feld außerordentlich stark ist. Daraus ließe sich ein gänzlich neues philosophisches Weltbild entwickeln, das letztendlich zu einer Deutung aller Naturvorgänge mittels struktureller Gesetze führen müsste, die überall und immer gelten. Ein durch die Luft geworfener Stein ist in diesem Sinne ein veränderliches Feld, bei dem die Stelle mit der größten Feldintensität sich mit der Fluggeschwindigkeit des Steines durch den Raum bewegt. In einer solchen neuen Physik wäre kein Raum mehr für beides: Feld und Materie; das Feld wäre als das einzig Reale anzusehen. …“

    Oder auch hier: Brief Einstein an Schrödinger, 1950

    „Du betonst nun ganz richtig, daß die vollständige Beschreibung nicht auf den Begriff der Beschleunigung aufgebaut werden kann und — wie mir scheint — ebensowenig auf den Teilchenbegriff. Es bleibt also von unserem Handwerkzeug nur der Feldbegriff übrig; aber der Teufel weiß, ob dieser standhalten wird. Ich denke, es lohnt sich, an diesem, d. h. am Kontinuum festzuhalten, solang man keine wirklich stichhaltigen Gründe dagegen hat.“

    Einstein spricht hier so schön vom „Kontinuum“. Auch dies ist ja ein Thema, dass schon deine Einleitung anspricht, Axel: Welche Natur hat das Vakuum, wenn es in der Lage ist, die Ramzeitwirbel (als „Teilchen“) hervorbringen zu können? Was also ist dieses Vakuum aus einem ontologischen Blickwinkel?

    Auch hier sehe ich den Schritt nicht weit, ein „Kontinuum“ mit dem Wort „Apeiron“ (das Unbegrenzte, aus dem sich Begrenztes (Seiende) bildet und das Begrenze löst sich wieder auf im Unbegrenzten) nahezu gleichzusetzen. Bei Anaximenes wird der Gedanke ausgearbeitet, der auf ein einheitliches Feld übertragen werden kann: Eine Einheit kann eine Vielheit beherbergen, wenn man in das Feld Unterschiede im Sinne von Feldintensitäten einfließen lässt.

    Heute spricht man von Mannigfaltigkeiten und eine Welt, die nicht euklidisch ist, daher von einem Vakuum, das in der Lage ist, sich zu dehnen und sonstige Krümmungen in der vierten Dimension zu vollführen.

    Abschließend mag ich die Aufmerksamkeit auf ein Zitat von Gustav Mie lenken, welcher auch ein Buch zu den Relativitätstheorien schrieb, welches Einstein im oben genannten Buch zur Einführung empfahl:

    Die Grundlagen der Mechanik (1950), S. 34 

    „Damit man sich vorstellen kann, dass der Raum selbst Kräfte ausübt, muss man ihn als eine physikalische Wirklichkeit, als ein Etwas, das in die materiellen Vorgänge eingreifen kann, auffassen. Nun versteht man aber meistens unter dem Wort „Raum“ keine physikalische Wirklichkeit, sondern nur das rein mathematische Ordnungsschema der Dinge. Um das physikalisch Wirkende, welches wir auch mit dem Namen „Raum“ oder „leerer Raum“ bezeichnen, deutlich als solches zu kennzeichnen, hat man ihm einen besonderen Namen gegeben, den Namen Äther oder auch Weltäther. Man versteht also unter dem Namen „Äther“ nicht etwa einen „hypothetischen Stoff“, wie man leider manchmal lesen kann, sondern einfach dasselbe, was wir auch den „leeren Raum“ oder kürzer, „das Leere“ nennen, insofern es sich in physikalischen Wirkungen, beispielsweise in Kraftwirkungen, als physikalische Wirklichkeit erweist.“

    LG, Christian

    PS: Diese Worte seien auch eine Einladung an andere Leser, meinen Blog „Akademie Olympia“ zu besuchen und per E-Mail mit mir über diese Brücken von Thales zu Einstein zu philosophieren. Meine Arbeitshypothese ist, dass das „Gewebe der Wirklichkeit“ nach Einstein und Schrödinger wieder sehr nah an den ersten Ontologien anknüpfen kann – und daher von den Philosophen lernen kann, die nicht Demokrit folgten, sondern konsequent auf Teilchen verzichteten.

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  2. Guten Morgen Christian, dass sind interessante Gedanken. Allerdings gibt es die Gefahr, einen Begriff („Teilchen“) durch einen anderen Begriff („Feld“) zu ersetzen und beide Begriffe entstammen der menschlichen Vorstellungswelt. Ich fürchte, die wahre Natur der Teilchen oder der Raumzeit ist uns so fremd, dass unser Geist es nicht erfassen kann. Wenn wir einen menschlichen Begriff durch einen anderen ersetzen, drehen wir uns vielleicht im Kreis. Auch den Begriff Feld hat die Physik inzwischen mehr oder weniger aufgegeben, denn was sollte ein „Feld“ sein? Ansonsten viel Glück mit Deinem Blog.

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