Es ist soweit! Der schon mehrfach angekündigte Roman ist raus! In Balduins Welträtsel – Das Körper-Geist-Problem und die Liebe geht es, wie schon der Untertitel sagt, um zwei große – vielleicht die größten – menschlichen Rätsel. Der Klappentext verrät folgendes:
Balduin Schönwald arbeitet als Neurowissenschaftler an einem renommierten Institut und versucht, eines der letzten Welträtsel zu lösen: die Natur des menschlichen Bewusstseins. Bei einem Experiment während einer Gehirnoperation macht sein Team eine spektakuläre Entdeckung. Haben sie die Seele aufgespürt? Balduins Überzeugungen geraten ins Wanken, doch als die Journalistin Sara Almeida am Institut auftaucht und sich für das Experiment interessiert, erkennt er, dass es noch größere Rätsel gibt.
Balduins Welträtsel, Klappentext
Nun ist es kein Geheimnis, dass Klappentexte so etwas wie der kleinste gemeinsam Nenner sind, um möglichst viele Leser anzusprechen. Für die Leser dieses Blogs und alle, die in den Problemkreis Bewusstsein-Qualia-Willensfreiheit schon ein wenig eingedrungen sind, daher hier ein etwas tiefergehender, alternativer Klappentext:
Das Forschungsteam um den verträumten Mathematiker Balduin Schönwald hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Sie wollen die Natur des menschlichen Bewusstseins enträtseln. Das nach dem bekannten Philosophen Peter Bieri benannte Bieri-Trilemma soll gelöst und die Frage, ob der Geist ein Produkt des Körpers ist oder nicht, endlich beantwortet werden. Ein Experiment während einer Gehirnoperation, das der ebenfalls berühmte Neurowissenschaftler Benjamin Libet kurz vor seinem Tod vorgeschlagen hat, soll Klarheit schaffen. Dabei machen sie eine spektakuläre Entdeckung.
Der unerwartete Ausgang des Experiments verwirrt Balduin. Die Beziehung zwischen Geist und Körper scheint ihm mysteriöser denn je. Als dann die Journalistin Sara Almeida am Institut auftaucht und ihn zu dem Experiment befragt, merkt er allerdings, dass es noch größere Rätsel gibt, und dass das Verhältnis zwischen Körper und Geist nicht nur beim Bewusstsein, sondern auch in der Liebe ungeklärt ist.
Balduins Welträtsel war nahe daran, einen Verlag zu finden. Es gab Literaturagenten, die sich die Zeit nahmen, das ganze Manuskript zu lesen. So weit muss man auch erst mal kommen. Am Ende sollte es nicht sein, aber das ist in Ordnung. Die (Post-)Moderne hat auch ihr Gutes und so kann man Balduins Welträtsel hier als E-Book oder gebundenes Buch bestellen und damit auch diesen Blog unterstützen. Aber nun genug der Geschichten über Klappentexte und Literaturagenten. Lesen Sie hier das erste Kapitel und kaufen Sie danach. Tauchen Sie ein in zwei große Mysterien der Menschheit.
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„Gehirn: das Instrument, mit dem unser Geist Musik macht.“ Karl R. Popper
„In den besseren Stunden aber wachen wir soweit auf, dass wir erkennen, dass wir träumen.“ Ludwig Wittgenstein
„Der Geist baut ein Luftschiff. Die Liebe aber macht gen Himmel fahren.“ Christian Morgenstern
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“I am doing science on the mind and the brain …”
Dieser Hirntumor war ein Glücksfall! Balduin blätterte in der Patientenakte. Er tat es nur, um die Zeit zu überbrücken, denn er kannte die Akte praktisch auswendig. Der Tumor hatte das Sehzentrum der Patientin befallen. Das Sehzentrum! Da eine Chemotherapie erfolglos geblieben war, musste es operativ entfernt werden. Das war exakt das, wonach sie gesucht hatten.
Was für die Ärzte ein Misserfolg war, das war für Balduin und sein Team eine Chance, denn er war kein Arzt, er war Hirnforscher im Institut am anderen Ende der Stadt. Genau genommen war Balduin Mathematiker und Philosoph. Vor zwei Jahren war er jedoch zu diesem Projekt gekommen, in dem die Natur des menschlichen Bewusstseins enträtselt werden sollte. Es ging um uralte Fragen: Woher stammt der Geist? War er ein Produkt des Gehirns, wie die meisten Wissenschaftler annahmen, oder doch etwas Eigenständiges? Balduins normaler Arbeitsalltag fand zwischen Hirnscannern, Computern und Büchern statt, doch heute würde es blutiger zugehen, denn sie brauchten ein abgetrenntes Sehzentrum, um diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Er hob seinen Blick und schaute durch die Glaswand in den Operationssaal. Die Patientin war bereits narkotisiert. Drei Ärzte standen in weißen Kitteln um sie herum und trafen Vorbereitungen.
„Jetzt kommt der unangenehme Teil.“ Eva-Maria, die biologisch-technische Assistentin des Teams, schaute ebenfalls gespannt auf die Szenerie. Balduin sah ihr Nicken im Reflex der Glasscheibe. Er mochte ihre Stupsnase. Wenn das Experiment so ausginge, wie sie erwartete, stünde die Hirnforschung Kopf, so viel war sicher. Eva-Maria war überzeugt, sie standen kurz vor der Entdeckung der Seele. Sie war die Einzige aus der Arbeitsgruppe, die diesen Gedanken auszusprechen wagte, wenn sie in den Pausen im Institutsgarten ihren Kaffee schlürften. Die anderen belächelten sie hinter vorgehaltener Hand dafür, besonders natürlich Waldemar. Sie waren sich einig, dass es bei dem Experiment keine Überraschungen geben konnte – jedenfalls sagten sie das. Alles andere hätte schließlich die gültige Theorie in Frage gestellt, nach der Bewusstsein ein Produkt des Gehirns war.
Der Chirurg begann mit der Trepanation. Kein Anblick für zarte Gemüter. Trepanation kam vom lateinischen Wort trepanum – und das bedeutete Bohrer. Balduin senkte den Blick und sah auf das Foto der Patientin. Ihm ging es um das Experiment und seine Forschung, dennoch ließ ihn ihr Schicksal nicht kalt. Dafür war er bei aller wissenschaftlichen Zielstrebigkeit viel zu zart besaitet. Er hatte im Auftrag des Instituts die Verbindung zu ihr hergestellt. Außenkontakte waren seine Sache. Kohlstätter, sein Chef, meinte, er habe ein Händchen dafür. Das Rätsel des Bewusstseins und das ganze Forschungsprojekt waren ihm angesichts ihrer gesundheitlichen Probleme mit einem Schlag so unbedeutend vorgekommen. Er bewunderte ihre Tapferkeit. Als er ihr alles erklärt und sich schließlich zu der Frage durchgerungen hatte, ob sie für das Experiment zur Verfügung stünde, hatte sie nur geschmunzelt. Das wäre kein Problem, da sie die OP ohnehin über sich ergehen lassen müsste, böte es sich doch an, der Wissenschaft damit einen kleinen Dienst zu erweisen.
Sie hatte es ihm leicht gemacht. Wie schon mit ihrer blonden Kurzhaarfrisur und ihrer unaufgeregten Art hatte sie ihn damit an Angelika, seine Verflossene, erinnert. Balduin hatte sie vor etwa drei Jahren – er war gerade dabei gewesen, seiner Doktorarbeit den letzten Schliff zu verpassen – bei einer Studentenfete auf einem abgelegenen Bauernhof kennengelernt. Trotz mäßiger Musik hatten sie ein paar Mal getanzt. Als er dann zu angeheitert gewesen war, um noch nach Hause zu fahren, hatte sich herausgestellt, dass sie einen großen Schlafsack dabeihatte.
Angelika war pragmatisch und betrachtete die Dinge meist von ihrer funktionalen Seite. Das galt auch für ihr Verhältnis zu Sex. Balduin mochte das, er war schließlich ein Mann. Aber zu behaupten, dass dies der Grund für ihre Beziehung gewesen sei, wäre ungerecht. Er hatte sie aufrichtig gemocht und zuvorkommend behandelt, wie es seine Art war. Ob er sie auch geliebt hatte, war indes eine schwierige Frage für einen Philosophen. Einmal waren sie nach einem Bachkonzert – es war die Ouvertüre in C-Dur – bei einem Glas Wein zusammengesessen. Balduin war noch immer den Tränen nahe gewesen, als sie begonnen hatte, von einem Problem mit ihrer Waschmaschine zu berichten. Da hatte er sich zum ersten Mal einsam in der Zweisamkeit gefühlt. Dennoch hatte es ihn schwer getroffen, als sie ihn zwei Monate später wegen eines Juristen hatte sitzen lassen. Er war auf Arbeitssuche gewesen und hatte die Wahl zwischen einem gut bezahlten Job bei einer Versicherung und dem Bieri-Projekt gehabt, für das er sich schließlich entschied. Niemand hatte das Geist-Gehirn-Problem so prägnant formuliert wie Peter Bieri in seinem Trilemma. Angelika hatte ihm natürlich zu der Stelle bei der Versicherung geraten. Den Geist erforschen, das könne nicht gutgehen, hatte sie zu ihm gesagt. Aber da er ein Träumer sei, werde er ohnehin dieses „komische Projekt“ wählen, da sei sie sicher.
Seine Entscheidung hatte er dann als Single treffen müssen. Bis heute ärgerte ihn die Leichtigkeit, mit der sie seine Wahl damals vorhergesehen hatte. War er so einfach zu durchschauen? Wo war sein freier Wille? Er hatte sich für das Bieri-Projekt entschieden, nicht, weil es „irgendwie dubios“ gewesen wäre, wie Angelika es nannte. Das Gegenteil war der Fall. Es war Forschung an einem der ältesten Rätsel überhaupt, einem Welträtsel sozusagen. Das war keine Träumerei, sondern die Chance bei etwas Großem dabei zu sein. Auch wenn Angelika nichts davon verstand, er würde ihr das Paper unter die Nase halten, sobald sie eine bedeutende Entdeckung gemacht hatten.
Inzwischen war die Trepanation beendet. Der Schädel der Patientin war geöffnet und der Narkosearzt machte sich an einigen Schläuchen zu schaffen. Es würde nicht mehr lange dauern. Eva-Maria schaute Balduin fragend an. Sollten sie jetzt den anderen Bescheid geben? Er nickte ihr zu und sie griff nach ihrem Handy, um eine WhatsApp zu senden.
Eva-Maria hatte mit ihrem andächtigen Blick und ihren langen, glatten Haaren eine Ausstrahlung, die gut zum zweiten Teil ihres Vornamens passte. Sie besaß eindeutig mehr Maria- als Eva-Anteile, wozu ihre Erziehung vermutlich das ihre beigetragen hatte. In einer evangelikalen Gemeinde auf dem Dorf aufgewachsen, war sie Anhängerin der Intelligent-Design-Theorie, nach der die plausibelste Erklärung für die Entstehung des Menschen im Alten Testament, genauer gesagt, im Buch Genesis zu finden war. Fragen nach dem Alter der Erde pflegte sie auszuweichen. Ob das auch ursächlich für ihre gescheiterte Kurzzeitehe gewesen war, war schwer zu sagen. Jedenfalls hatte ihr frisch gebackener Ehemann nicht nur sie, sondern gleich die ganze Gemeinde kurz nach der Vermählung sitzen lassen. Dieser Schicksalsschlag hatte sie aber nicht davon abgehalten, ihre Ausbildung zur biologisch-technischen Assistentin abzuschließen. Viele am Institut konnten nicht nachvollziehen, wie jemand mit solchen Ansichten biologisch-technische Assistentin werden konnte, weshalb Eva-Maria oft im Mittelpunkt der Gespräche stand – jedenfalls dann, wenn sie nicht anwesend war. Wie auch immer, sie gehörte zu Balduins verlässlichsten Arbeitskollegen.
Ein Knacken ließ Balduin aufhorchen. Der riesige Monitor an der Seitenwand des Raumes wurde eingeschaltet. Ab jetzt konnten sie dort jedes Detail der Operation in Ton und Bild verfolgen. Der geöffnete Schädel der Patientin erschien. Balduin hatte freien Blick auf die gewundenen Strukturen des rätselhaftesten Organs des Menschen.
Da ging die Tür auf. Professor Ehrenhardt, der Direktor des Instituts, kam herein, gefolgt von Kohlstätter, dem Projektleiter und Waldemar. Waldemar war Physiker und Informatiker, Balduin hatte ihn im Studium bei einem Seminar über Turing-Maschinen kennengelernt. Als er zum Projekt gekommen war, war Waldemar schon am Institut angestellt gewesen und war eigentlich mit der Programmierung neuronaler Netze beschäftigt. Ehrenhardt wollte ihn jedoch ebenfalls beim Bieri-Projekt haben, so dass Waldemar schließlich wechselte, wenn auch nicht ganz freiwillig. Er fand das Projekt „ein bisschen spiritistisch“, wie er sich in Abwesenheit Ehrenhardts gelegentlich ausdrückte. Jedenfalls waren Balduin und Waldemar sich so wieder begegnet. Inzwischen waren sie Freunde.
Aus dem Lautsprecher tönte die Stimme des Chirurgen: „Wie geht es Ihnen?“ Die Frage war an die Patientin gerichtet.
„Habe mich nie besser gefühlt! Und selbst?“ Balduin zuckte zusammen. Auch wenn er gewusst hatte, dass sie die Patientin wecken würden, kam es ihm jetzt, nachdem er die Trepanation mit eigenen Augen gesehen hatte, unwirklich vor, wie sie putzmunter mit dem Chirurgen scherzte. Es war nicht ungewöhnlich, dass solche Operationen bei vollem Bewusstsein durchgeführt wurden. Das Gehirn erzeugte das Schmerzempfinden für den gesamten Köper – außer für sich selbst. Es war komplett gefühllos. Eine Musikerin hatte einmal bei einer solchen OP gesungen, während ihr ein Hirntumor entfernt wurde. Dadurch konnten sich die Chirurgen sicher sein, dass sie den auditiven Cortex nicht verletzten, der für das musikalische Können der Patientin unerlässlich war.
Heute hätte man die Patientin in der Narkose belassen können, wenn nicht das Experiment gewesen wäre. Das war der kritischste Punkt, den Balduin ihr hatte erklären müssen. Wer möchte schon, dass man ihm bei vollem Bewusstsein am Hirn herumschnippelt? Er hatte ihr das Video gezeigt, auf dem die Musikerin während der Operation „Take me home, country roads“ trällerte. Sie hatte nur genickt. Eine toughe Person!
Auf dem Monitor war nun ihr Gesicht zu sehen. Sie trug eine schwarze Stoffbrille, denn es durfte keinerlei Licht in ihre Augen dringen, das war für das Experiment entscheidend. Danach zeigte der Schirm wieder ihr Gehirn. Balduin spürte, wie die Spannung bei den Anwesenden zunahm. Man hätte eine Stecknadel fallen hören. Der Chirurg hantierte eine Weile mit verschiedenen Geräten herum, dann gab er das verabredete Zeichen. Er hatte den entscheidenden Schnitt gesetzt. Auf dem Bildschirm erkannte man ein Stückchen graue Masse, das nur noch durch einen schmalen Steg mit dem Rest des Gehirns verbunden war. Es war das Sehzentrum. Dieser kleine Hirnlappen war jetzt vom Nervensystem der Patientin getrennt, wurde aber noch durch ihre Blutgefäße versorgt. Ein Stück lebendes Gehirn ohne neuronale Verbindung zu einem Körper!
Der Assistenzarzt hielt zwei haarfeine Elektroden in die Höhe und blickte durch das Glas in ihre Richtung. Kohlstätter nickte ihm zu. Professor Ehrenhardt fixierte das Geschehen im OP wie jemand, der auf keinen Fall eine Sensation verpassen wollte. Kohlstätter gab sich wie immer unbeeindruckt, aber auch bei ihm registrierte Balduin eine ungewöhnliche Anspannung der Gesichtsmuskeln. Eva-Maria hatte glasige Augen und selbst Waldemar schien nervös. Sein überlegenes Lächeln wirkte aufgesetzt. In Balduin herrschte ein Chaos aus sich einander widersprechenden Empfindungen. Ein Gefühl war dabei dominant, doch er war sich nicht sicher, wie er es benennen sollte. War es Hoffnung?
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Balduins Welrätsel – Das Körper-Geist-Problem und die Liebe, ISBN: 9798390510803
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Und so etwas fand keinen Verlag? Absurd!
Vielleicht findet der Autor noch einen Weg, es als Audio-Version anzubieten. Das wäre für viele, die keine klassischen Bücher mehr lesen, eine sinnvolle Option!
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Vielen Dank für diesen Kommentar!
Ich will nicht meine eigene Leistung bewerten, aber, ja, man wundert sich manchmal schon, was verlegt wird und was nicht. Ich hatte eine Literaturagentin, die nach der Leseprobe das ganze Manuskript bei mir angefordert hat. Da macht man sich dann schon Hoffnungen. Ansonsten bekommt man von den meisten Agenturen und Verlagen nicht einmal eine Antwort.
Das mit dem Hörbuch ist eine gute Idee. Es selbst gut zu prodzieren ist aber wahrscheinlich nicht leicht.
Mal sehen, was noch so kommt.
Schöne Grüße nach Berlin
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