Ein Tor würde dem Spiel guttun – Philosophie des Geistes im UEPhA-Cup

Ein Gastbeitrag von Dirk Boucsein

Guten Abend allerseits! Das Geist-Gehirn-Problem beschäftigt die Menschheit seit der Antike. Hinsichtlich des Gehirns gab es dank boomender Forschung in den letzten Jahrzehnten einen explosionsartigen Wissenszuwachs. Dennnoch sind die vollmundigen Ankündigungen aus den 10er-Jahren, die Neurowissenschaften würden die „schweren Fragen der Erkenntnistheorie“ angehen und ein „neues Menschenbild“ schaffen, folgenlos verklungen.

Ernüchtert müssen wie feststellen: Die Aussagen der Neurowissenschaftler bewegen sich noch immer auf dem Niveau von Fußballweisheiten. Für die Praxis gilt: „Das Gehirn ist (annähernd) rund“ und „Wichtig ist im Gehirn“, während wir für die theoretische Seite festhalten können: „Nach der Theorie (des Geistes) ist vor der Theorie“, denn „Eine neue Theorie gilt immer nur 90 Minuten“.

Was lag da näher, als die wichtigste Nebensache der Welt (das Geist-Gehirn-Problem) mit der wichtigsten Hauptsache der Welt (Fußball) zusammenzubringen und die Geschichte der Philosophie des Geistes als Fußballpartie darzustellen?

Die beiden Mannschafen „Team Geisteswissenschaften“ und „Team Naturwissenschaften“, sind bereits beim Gespann der Unparteiischen – dem Bieri-Trilemma – und führen die Seitenwahl durch. Es kommentiert Dirk Boucsein. Schaun mer mal!

Die Philosophie des Geistes – der UEPhA-Cup der Ismen

Die Geschichte der „Philosophie des Geistes liest sich wie eine Chronik zum Wettkampf der verschiedenen geisteswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen  „Ismen“ (Plural des -ismus, z. B. Materialismus, Idealismus, Positivismus,…). Viele Verbalschlachten, Begriffsscharmützel und Wortstellungskriege der Vergangenheit wären aber sicherlich vermeidbar gewesen, hätte man sich im Vorfeld auf eine gemeinsame Sprache – oder zumindest auf eine einheitliche Konnotation eines bestimmten Begriffes geeignet. Wenn es mir an dieser Stelle gestattet sei, würde ich gerne diesen Kampf der Ismen aber nicht so martialisch beschreiben, sondern lieber zu dem Begriff „UEPhA (Union of European Philosophy Associations)-Cup„-Spiel zwischen dem Team der Geisteswissenschaften (Soziologie, Geschichte, Linguistik,…) und dem der Naturwissenschaften (Physik, Chemie, Biologie,…) wechseln. Auch wenn ich keine Ahnung vom Fußball habe, aber damit es in der PdG nicht ganz so kopflastig wird 😉

Im Folgenden möchte ich versuchen, anhand einiger ausgewählter Begriffsanalysen den jeweiligen Standpunkt der vermeintlich diametralen Lager in der Philosophie des Geistes deutlich zu machen, um in einem letzten Schritt die bereits gebildeten Gräben und Risse wieder zu zuschütten und zu kitten. Meine Arbeitshypothese soll darin liegen zu zeigen, dass Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften nur die zwei Seiten ein und derselben Münze sind und in der Philosophie des Geistes oder Neurowissenschaft eine gemeinsame Schnittstelle besitzen. Diese Schnittstelle sehe ich in der relativ jungen Disziplin der Neurophilosophie gegeben, auf die ich aber in meinem weiteren Artikel „Die Neurophilosophie“ (https://philosophies.de/index.php/2021/02/15/die-neurophilosophie/) aufgrund der ansonsten entstehenden „epischen Länge“ gesondert eingehen möchte.

Zur Erläuterung meiner Arbeitshypothese sei mir hier zunächst einmal eine begriffliche Standortbestimmung und Einordnung der Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft in die Genese und Evolution der Philosophie des Geistes erlaubt.

Das alte Schisma Geisteswissenschaft vs. Naturwissenschaft

»Als Gegner stehen einander nicht zwei wissenschaftliche Fächer gegenüber, mit unterschiedlichen Gegenständen, aber ähnlichem Wissenschaftsverständnis, sondern zwei wissenschaftliche Konfessionen, deren Auseinandersetzungen nicht selten Züge eines Glaubenskrieges annehmen.« (Vowinckel, in: Zwischen Natur und Kultur, S. 35)

Es soll im Folgenden zunächst einmal um die Klärung des „Wissens-„/“Wissenschafts-„Begriffes gehen. Doch schon an dieser Stelle tritt eine begriffliche Verwirrung auf. Bedeutet die begriffliche Unterscheidung in Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft, dass sich die „Geisteswissenschaften“ (Dilthey, Hegel) nur mit dem „Geist“ und nicht mit der „Natur“ und die „Naturwissenschaften“ nur mit der „Natur“ und nicht mit dem „Geist“ beschäftigen? Diese – bei näherer Betrachtung – doch sehr merkwürdige Begriffswahl erscheint nicht nur im deutschen Sprachraum. In der angelsächsischen Sprache ist der Wissenschaftsbegriff noch stärker polarisiert. Man unterscheidet hier „science“ von „humanities„, wobei sich der Begriff „science“ hauptsächlich auf die „natürlichen Wissenschaften“ (natural science, life science, physical science,…) bezieht und „humanities“ auf die „menschlichen Wissenschaften“. Also dürfte auch im Angelsächsischen „science“ unmenschlich sein, ebenso wie die „humanities“ (anthropology, history, philosophy,…) unnatürlich wären, sonst benötigte man keine solche Unterscheidung der Wissenschaftsobjekte. Die Differenzierung zielt aber im Deutschen, wie im Angelsächsischen weniger auf das Objekt der Untersuchung, sondern liegt eigentlich viel mehr in dem vermeintlichen Unterschied der Methodik. In den Naturwissenschaften wird nach eigener Aussage eher empirisch, induktiv und reduktiv gearbeitet, wohingegen die Geisteswissenschaften ihre Methodik vielleicht eher als logisch, deduktiv und spekulativ bezeichnen würde. Dieser künstlich-erzeugte Dualismus hat – wie man später noch sehen wird – weitreichende Konsequenzen hinsichtlich der Evaluation von Ergebnissen, am Beispiel der Philosophie des Geistes vs. der Neurowissenschaft. Aber zunächst soll hier erst einmal der „Graben/Riss“ an dem Begriff der „Wissenschaften“ gezeigt werden.

„Hiatus philosophicus“ – der Riss im Wissen

Der eigentliche Graben/Riss in der Philosophie („Hiatus philosophicus“) ist vielleicht noch nicht so alt wie das Schisma der katholischen Kirche von 1054. Er ist aber schon angelegt in den Anfängen der Philosophie in der Antike, bei den „ollen Griechen“, hier besonders Platon (* 428/427 v. Chr. in Athen oder Aigina; † 348/347 v. Chr. in Athen) und sein Schüler Aristoteles (* 384 v. Chr. in Stageira; † 322 v. Chr. in Chalkis auf Euböa):

„Die Griechen sind von maßgeblicher Bedeutung, weil sie bei der Kontrastierung von moderner und vormoderner Wissenschaftlichkeit einen Angel- und Wendepunkt in der Geschichte bilden. Sie stellen in der Weltgeschichte der Wissenschaften eine Zwischenstufe dar: ein Scharnier zwischen den ersten Anfängen der Wissenschaft bei den antiken Hochkulturen und der elaborierten Wissenschaftssystematik der Moderne.“ (Tim Kunze: „Der Riss im Wissen. Zum Problem des Unterschieds zwischen Natur- und Geisteswissenschaft in der griechischen Antike, anhand von Aristoteles‘ Physik und Politik“, S. 21)

Die verschiedenen Wissensstufen des antiken Griechenlands

Im antiken Griechenland wurde lediglich zwischen verschiedenen Wissensstufen unterschieden:

1. Vorwissenschaftliches Wissen:

a) ἐμπειρία (empiria ≈ bloßes Erfahrungswissen),

b) ἱστορία (istoria ≈ gesammelte Einzelkenntnisse) und

c) τέχνη (téchne ≈ systematisch-praktisches Wissen in Form von praktischem Können)

2. wissenschaftliches Wissen: ἐπιστήμη (epistéme ≈ theoretisches Wissen in Form von Gelerntem oder Erdachtem

3. philosophisches Wissen: φιλοσοφία (philosophia ≈ höchste Wissensstufe als Sammlung von verschiedenen Weisheiten/Wissen)

„Bezüglich der Differenzierung von vorwissenschaftlichem und wissenschaftlichem Wissen zeigt sich Folgendes: In der Moderne wird ein bestimmter Begriff der «Wissenschaft» bzw. «science» vorausgesetzt und über dessen Ausdehnung gestritten («Wissenschaft» qua strenge Wissenschaft vs. Geistes«wissenschaft» u. dgl.). Bei den Griechen stellt demgegenüber weniger die Breite eines normativen Konzepts, sondern die Begriffsüberlappung das Hauptproblem dar. Neben dem Begriff ἐπιστήμη [epistéme] dienen auch μαθήματα [mathímata] oder gar τέχνη [téchne] u.ä. als Bezeichnung für wissenschaftliches Wissen, und die allgemeine Bedeutung von ἐπιστήμη [epistéme] als „Wissen“ lebt weiterhin fort.“ (Tim Kunze: „Der Riss im Wissen…“, S. 25)

Geisteswissenschaft vs. Naturwissenschaft

Für Platon und Aristoteles stellte sich die Frage nach der Definition der „Wissenschaft“ geschweige denn der Abgrenzung von Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft noch überhaupt nicht. Bis in die Moderne differenzierte sich allerdings der Wissenschaftsbegriff sehr stark, wobei die Naturwissenschaft ihre Wurzeln stärker in empiria und téchne schlugen und die Geisteswissenschaft sich lieber über die epistéme und philosophia verorten lassen wollten. Die philosophia wurde gegenüber dem antiken Konzept stark entwertet und einfach der Geisteswissenschaft zugeschlagen. Diesen Hiatus philosophicus zu verorten ist nicht so einfach, da es sich eigentlich um einen kontinuierlichen Prozess gehandelt hat. Man könnte aber Francis Bacon als ersten „modernen Naturwissenschaftler“ bezeichnen, da er sich von der epistemischen Scholastik in Form der „Naturphilosophie“ abwendet und sich der durch empirische Daten (empiria) gewonnen Erkenntnis und technischen (Aus-)nutzbarkeit (téchne) zuwendet. Mit den antiken Begriffen veranschaulicht – ohne eine Bewertung zu beabsichtigen – bedeutet dies, dass die niederen, antiken Wissensstufen „techné“ und „empiria“ aufgewertet und die höheren Wissensstufen „philosophia“ und die „epistéme“ abgewertet wurden.

Diese wissenschaftsgeschichtliche Vorbetrachtung ist aber wichtig für das weitere Verständnis des darauf folgenden späteren Kampfes zwischen der Geisteswissenschaftund Naturwissenschaftin Form der Ismen in der Philosophie des Geistes.

Die Philosophie des Geistes – der UEPhA-Cup der Ismen

Das Schiedsrichtergespann Bieri-Trilemma

Das Schiedsrichtergespann soll das in meinem vorherigen Essay „Der Geist in der Materie“ beschriebene Bieri-Trilemma  abgeben, da es die zugrundegelegten Basen der jeweiligen Ismen besser bewertbar macht; das gilt im Übrigen sowohl für die Dualismen und Monismen. Das Bieri-Trilemma soll in diesem Sinne ausdrücklich keine neue Theorie sein, sondern lediglich nur ein Instrument dienen. Wenn ich das Bieri-Trilemma aus diesem Grunde noch einmal kurz vorstellen dürfte:

Dualismus:

(1) Mentale Phänomene sind nicht-physikalische Phänomene.
(2) Mentale Phänomene sind im Bereich physischer Phänomene kausal wirksam. (mentale Verursachung; z.B. allg. für Verhalten, „vor Scham erröten“)
(3) Der Bereich physischer Phänomene ist kausal geschlossen.

Jede der drei Annahmen wirkt auf den ersten Blick plausibel:
Zu (1): Das Bewusstsein scheint durch seine interne Struktur – insbesondere durch das subjektive Erleben – von jedem physischen Ereignis verschieden.
Zu (2): Mentale Phänomene (etwa Angst) scheinen ganz offensichtlich Ursache von physischen Phänomenen (etwa Weglaufen) zu sein.
Zu (3): In der physischen Welt scheinen jedoch immer hinreichende, physische Ursachen auffindbar zu sein.

Monismus:

(1) Wenn mentale Phänomene im kausal geschlossenen Bereich physischer Phänomene eine kausale Rolle spielen sollen, dann müssen sie physische Phänomene sein.
(2) Mentale Phänomene sind M.
(3) Phänomene, die M sind, können nicht physische Phänomene sein.
(M steht für Charakteristika, denen Eigenschaften zugesprochen werden, die exklusiv mentalen Phänomenen zugeordnet werden.) (Peter Bieri: „Analytische Philosophie des Geistes„, S. 9.)

Das Trilemma besteht nach Bieri darin, dass die Sätze paarweise, aber nicht alle zugleich wahr sein können. Wenn mentale Phänomene auf die physikalische Welt einwirken können (1 und 2), so ist sie nicht geschlossen (Widerspruch zu 3). Wenn dagegen das Mentale von der physischen Welt unabhängig ist und die physische Welt kausal geschlossen (Satz 1 und Satz 3), so kann es keine Wirkung mentaler Phänomene auf die physikaische Welt geben (Widerspruch zu 2). Wenn mentale Phänomene physische Vorgänge verursachen und die physische Welt kausal geschlossen ist (2 und 3), so muss das Mentale auf die physische Welt reduzierbar sein (Reduktionismus, Widerspruch zu 1).“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Bieri-Trilemma)

Die Untersuchung in wie weit die Prämisse (3) überhaupt Bestand hat, muss leider auch noch auf den späteren Essay „Neurophilosophie“ verschoben werden.

Anstoß der Partie durch die Geisteswissenschaft

Der Wettkampf um den UEPhA-Cup der Philosophie des Geistes wird selbstverständlich durch das Team um die Geisteswissenschaft angestoßen, da zu Beginn des „Spiels“ die Mannschaft um das Team Naturwissenschaft noch Probleme mit der richtigen Technik zur Behandlung des Objektes „Geist“ (der Begriff ist übrigens sprachlich auch nicht unproblematisch) haben. Es fehlen die empirischen Daten.

Team Geisteswissenschaften (Bild: philosophies)

Platons Substanzdualismus

Also legt Platon mit seinem Substanzdualismus  den „Ball“ vor:

„Sokrates: Unser Leib, wollen wir nicht sagen, der habe eine Seele? Protarchos: Offenbar wollen wir das. Sokrates: Woher aber, o lieber Protarchos, sollte er sie erhalten haben, wenn nicht auch des Ganzen Leib beseelt wäre, dasselbe habend wie er und noch in jeder Hinsicht trefflicher?“ (Platon: Dialog „Philebos“ (30a).

Der Ball landet auch im gegnerischen Spielfeld, wo er von den Verteidigern des Teams NW, den „Atomisten“ Leukipp, Demokrit und Epikur mit ihrer substanzmonistischen Theorie zunächst einmal abgewehrt wird (die Idee wird aber – wie man später noch sehen wird – zum Physikalismus in Form der „Identitätstheorie“ ausgebaut). Platons eigentlicher Plan lag zwar eher darin, die Unsterblichkeit der Seele zu postulieren, aber von nun an ist die Differenz zwischen zwei vermeintlichen Entitäten dem „Leib“ und der „Seele“ unwiderruflich in der Welt. Er liefert in seinem Dialog „Phaidon“ allerdings keine genaue Definition zu dem Begriff „Seele“, „was es ist zu sein„, außer dass sie etwas Immaterielles (Nicht-Körperliches) sein soll.

Descartes Interaktionismus

Dies wird aber zu einer Steilvorlage für die berühmt-berüchtigte Flanke von „res cogitans“ zur „res extensa“ von Descartes Interaktionismus:

„Ich kann mir klar und deutlich vorstellen, dass Geist ohne Materie existiert. Was man sich klar und deutlich vorstellen kann, ist zumindest prinzipiell möglich. Also ist es zumindest prinzipiell möglich, dass Geist ohne Materie existiert. Wenn es prinzipiell möglich ist, dass Geist ohne Materie existiert, dann müssen Geist und Materie verschiedene Entitäten sein. Da also Geist und Materie verschiedene Entitäten sein müssen, ist der Dualismus folglich wahr.“ (René Descartes: „Meditationes de prima philosophia.“ (1641), S. 98)

Auf Descartes Interaktionismus gehe ich hier nicht ausführlicher ein, da ich ihn bereits in meinem letzten Essay „Der Geist in der Materie“ beschrieben habe. Nach Descartes ist die Seele zwar „unräumlich“, jedoch würde sie in engem Kontakt mit der Zwirbeldrüse stehen, die als Vermittlerin zwischen Körper und Seele fungieren soll. Dies konnte aber bis heute weder durch das Team um die Naturwissenschaft empirisch bestätigt werden, noch hielten die Kommentatoren aus der Geisteswissenschaft-Kurve diesen Ansatz für erfolgversprechend (Andreas Kemmerling: „Ideen des Ichs: Studien zu Descartes‘ Philosophie“ 1996).

Spinozas Substanzmonismus

Als taktischer Einzelspieler übernimmt nun aber Spinoza nochmals den Ball mit seinem Substanzmonismus. Der Substanzmonismus soll aber anders als bei den antiken „Atomisten“ nicht in der Materie, sondern in Gott als unendliche, substantiell in ihren Eigenschaften konstante, einheitliche und ewige „Substanz“ in allem Seienden (Pantheismus) gefunden werden. Die hieraus entwickelte Erkenntnistheorie für die Philosophie des Geistes führt bei ihm im Gegensatz zum IA zu einem psychophysischen Parallelismus. Der menschliche Intellekt kann Spinoza zufolge zwei „Attribute“ das „Denken“ (Geist) und die „Ausdehnung“ (Materie) der einen Substanz natura naturans = schöpferische Natur (Gott) erkennen.

Leibniz Parallelismus

Dieselbe Taktik verfolgt ebenfalls sein Parallelismus-Mitspieler Leibniz, der jeglichen psychophysischen Interaktionismus zwischen Leib und Seele ablehnt und diese nur als zwei Uhren vergleicht, die voneinander getrennt, aber durch Gott vollkommen synchronisiert, ablaufen würden. Die perfekte Parallelität ohne Kausalität erscheint schon damals fragwürdig, aber endgültig scheitert der Pass durch seinen Determinismus an den Verteidigern der „Willensfreiheit„. Wie stabil diese Verteidigungsmauer ist, muss allerdings auch in einem späteren Essay untersucht werden. Auch ein weiterer idealistischer Parallelismus-Spieler Kant kommt mit seinem torgefährlichen Doppelpass in Form des transzendental-apriorischen Eigenschaftsdualismus weit in den Strafraum des NW. Er kann aber leider auch nicht erfolgreich abschließen, da das Bieri-Trilemma-Schiedsrichtergespann ihn im Abseits sieht, wie ich auch bereits in „Der Geist in der Materie“ dargestellt hatte.

Der Bieri-Trilemma-Schieri muss nun allerdings auch endlich mal einschreiten und das „Spiel abpfeifen“, da bei allen Spielzügen des Teams um die Geisteswissenschaft, sowohl beim Substanzdualismus, als auch beim Substanzmonismus, die Prämisse (1) mit der Prämisse (2) konfligieren, entweder weil sie zu einseitig (1) oder (2) betonen oder weil sie mit Prämisse (3) nicht mehr unter einen Hut gebracht werden können. Dies führt natürlich dazu, dass nun das Team um die Naturwissenschaft in einen längeren Ballbesitz kommen, wobei sie beabsichtigen, über die Empirie zu verlässlichen Daten und schließlich zu stabilen Theorien in der Philosophie des Geistes zu gelangen.

 

Konter durch die Naturwissenschaft

Huxleys Epiphänomenalismus

Als neuen Spielzug im UEPhA-Cup wurde der Epiphänomenalismus durch das Team Naturwissenschaft in Form der Spieler Bonnet oder dem populäreren Spieler Thomas Henry Huxley (nicht zu verwechseln mit seinem Sohn, dem Autor Aldous Huxley „Schöne, neue Welt, s. „Das Technopol„) – auch als „Automatismus“ genannt – in die Philosophie des Geistes gebracht. Der Epiphänomenalismus baut ebenfalls auf einem Substanzdualismus auf, bezieht sich aber eher auf die Eigenschaften der Materie, so dass er auch als Eigenschaftsdualismus bezeichnet wird. Die taktische Idee des Epiphänomenalismus kann man als „lange Flanke“ sehen, die nur eine Richtung kennt: das Physische hat Auswirkungen auf das Mentale, aber nicht umgekehrt. Der immaterielle Geist, die Seele „erscheint“ nur als Epiphänomen der Materie und ist damit für den Epiphänomenalismus eigentlich redundant. Wie dies die Materie im Gehirn bewerkstelligt, bleibt der Epiphänomenalismus damals (aber auch heute noch) trotz zahlreicher empirischer Daten (EEG, CT, MRT, DTI,…) schuldig, obwohl auch hier neue Spieler, wie zum Beispiel Thomas Metzinger mit seinem Phänomenalen Selbstmodell (PSM) ins Team aufgenommen wurden.

Team Naturwissenschaften (Bild: philosophies)

Skinners Behaviorismus

Den Ball wollte sich natürlich die noch relativ junge Disziplin – die Psychologie – nicht wegnehmen lassen, da auch sie noch Probleme mit ihrer Standortbestimmung hatte, ob sie denn nun eher dem Geisteswissenschaft- oder Naturwissenschaft -Team angehören wollte. Um sich dem Naturwissenschaft -Lager anzuschließen, wurde ein Spieler namens Watson („Psychology as the Behaviorist views it“ (1913) auf das Spielfeld geschickt, der menschliches Verhalten („Behaviour„) durch seine „objektive Methode“ als Reiz-Reaktions-Schema („stimulus-response„) beschreiben wollte. Der Behaviorismus war begründet. Um es mit der Sprache des Behaviorismus zu sagen, der Epiphänomenalismus war der „Reiz“ und der Behaviorismus die „Reaktion“. Man wollte das Spielfeld nicht dem Materialismus  der Geisteswissenschaft oder Physikalismus der Naturwissenschaft überlassen, sondern selber ein Team zusammenstellen. Skinner („Science and Human Behavior“ 1953) wurde als bekannter Spieler hinzugewonnen und verstärkte die Position im „radikalen Behaviorismus „. Der Behaviorismus geht allgemein davon aus, dass die dem beobachteten menschlichen Verhalten zugrundeliegenden, physiologischen Vorgänge als „Black Box“ nicht erschlossen werden können und auch dementsprechend irrelevant sind. Die Psychologie sollte zur „exakten Wissenschaft“ werden, die mit Hilfe von Experimenten und naturwissenschaftlichen Begriffen das menschliche Verhalten im biologischen Sinne exakt beschreiben konnte. Der Behaviorismus erwies sich allerdings, abgesehen von dem Nachwirken in der Psychologie in Form der „Experimentellen Verhaltensanalyse„, als entschiedener Fehlpass.

Places/Smarts Identitätstheorie

Insgesamt ist aber nun weiterhin das Team der NW mit der von Place und Smart begründeten Identitätstheorie  im Ballbesitz. Die Identitätstheorie  ist geradezu als Einwurf auf die gescheiterte Behaviorismus anzusehen, da sie beherzt die Spielstrategie wechselte. Der Substanzdualismus des Behaviorismus wird als falsch angesehen, da er scheinbar an der Prämisse (1) des Bieri-Trilemma gescheitert ist. Demgegenüber wird von der Identitätstheorie  die Einheit von physisch-materiellem Körper und psychisch-mentalem Geist beschworen, weil sie die „physikalische Geschlossenheit“ der Prämisse (3) des Bieri-Trilemma erreichen möchte. Insofern könnte man auch den Transfer des Substanzdualismus zum Substanzmonismus als Eigenschaftsdualismus beschreiben, der doch wieder stark an den Epiphänomenalismus erinnert. Der Unterschied liegt allein darin, dass nun die psychisch-mentalen Zustände durchaus als gegeben erachtet werden, sie müssen allerdings durch das Physisch-Materielle realisiert werden. Diese taktische Festlegung führt zum Physikalismus, der von den logischen Empiristen Carnap und Neurath aus dem Naturwissenschaft-Team begründet wurde, um sich vom „metaphysischen Begriff“ der Geisteswissenschaft, dem Materialismus zu distanzieren, der auf die Cambridger Platonisten More und Cudworth zurückgeht. Die Identitätstheorie  verwendet interessanterweise beide Begriffe – ungeachtet der unterschiedlichen Lager – synonym.

„Ein mentaler Zustand M ist nichts anderes als ein Gehirnzustand G. Der mentale Zustand „Wunsch nach einem Kaffee“ wäre also nichts anderes als „das ‚Feuern‘ bestimmter Nervenzellen in bestimmten Hirnregionen“. (https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie_des_Geistes#Identit%C3%A4tstheorie)

Token-Identität vs. Type-Identität

Die Identitätstheorie erscheint allerdings in zwei unterschiedlichen Spielarten der Identität. Bei der Token-Identität handelt es sich um zwei konkrete Exemplare eines Typs, die identisch sind. Also der Spieler Place wird sowohl von dem Zuschauer A als auch von dem Zuschauer B als Exemplar gesehen, aber von beiden als Token-Identität betrachtet. Demgegenüber können bei der Typ-Identität bestimmte Mengen von Exemplaren zusammengefasst werden, die bestimmte Eigenschaften erfüllen. So kann man den Spieler Place mit der Eigenschaft, dass er im Spielfeld der Naturwissenschaft steht und das Trikot der Identitätstheorie trägt, als Typ-Identität sehen. Wenn nach Smart alle mentalen Zustände durch die Typ-Identität reduktiv auf bestimmte neuronale Zustände zurückführbar seien, so wäre es nur eine Frage der Zeit und der Forschung, bis die NeuroW alle offenen Fragen der Psychologie geklärt hätten. Man kann aber nun auch beobachten, dass er sich mit dem stark reduktiven Charakter der Typ-Identität „vertrippelt“ und den „Ball ins Aus“ geschlagen hat.

Putnams/Fodors Funktionalismus

Hier erfolgt nun erneut ein Einwurf durch den Funktionalismus, ausgeführt von den Spielern Putnam und Fodor, die versuchen das Problem der Identitätstheorie – die multiple Realisierung– zu lösen. Wenn man annehmen kann, dass alle Wirbeltiere so etwas wie „Qualia„, z. B. „Schmerz“ als mentalen Zustand empfinden, wird man aber auch davon ausgehen können, dass der Spieler Place bei einem Beinbruch einen anderen neuronale Zustand besitzt, als der gemeine Lurch auf dem Platz. Der Funktionalismus versucht dieses Problem der multiplen Realisierung dadurch zu lösen, dass es den verschiedenen neuronalen Zuständen des Gehirns den gleichen funktionalen Zuständen zuordnet. Die mentalen Zustände werden dann einfach mit den funktionalen Zuständen gleichgesetzt. Die funktionalen Zustände werden gerne mit Hilfe der Automatentheorie erklärt, die davon ausgeht, dass ein funktionaler Zustand durch einen Input, einen entsprechenden Output liefert und hierbei in einen anderen funktionalen Zustand wechselt (s. „Colaautomathttps://de.wikipedia.org/wiki/Funktionalismus_(Philosophie). Dieses Bild hat natürlich der Analogie von Gehirnfunktion und Computermodulation erheblichen Vorschub geleistet und eine Brücke zur Informatik und Kybernetik geschlagen.

bewusstes Erleben von mentalen Zuständen

Dem Funktionalismus kommt nun allerdings das „Bewusstsein“ in die Quere, was als Problem an dem „China-Gehirn„-Gedankenexperiment verdeutlicht wurde (https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie_des_Geistes#Funktionalismus). Die Erklärung, wie der Geist in die Flasche oder hier in die Materie kommt, bleibt auch der Funktionalismus schuldig. Auch die funktionalen Zustände der neuronalen Gehirnaktivitäten liefern keine schlüssigen Theorien für das bewusste Erleben von mentalen Zuständen, die man als „Ich„, „Selbst“ oder auch die Wahrnehmung des „Anderen“ bezeichnen könnte.

Das Team wollte den Ball aber noch nicht als verloren geben, sodass es beim Bieri-Trilemma-Schieri einen Einspruch geltend machte, dass der Schieri befangen sei und zu oft falsch gepfiffen hätte. Man solte sich die Szenen noch einmal unter folgenden Voraussetzungen erneut anschauen und neu bewerten:

1. Der Materialismus ist wahr, mentale Zustände müssen materielle Zustände sein.
2. Die einzelnen reduktiven Vorschläge sind alle unbefriedigend: Mentale Zustände lassen sich nicht auf Verhalten, Gehirnzustände oder funktionale Zustände zurückführen.

Davidsons nicht-reduktiver Materialismus

Also mussten wieder ein paar Ersatzspieler von der Bank einspringen, die das Spiel noch zu retten versuchten. Die Rede ist vom nicht-reduktiven Materialismus, der von Davidson als „anomalen Monismus“ in Form des „Supervenienzprinzip“ eingeführt wurde. Das Supervenienzprinzip geht davon aus, dass die psychisch-mentalen Zustände des Gehirns von den physisch-materiellen Zuständen der Neuronen abhängig sind und nicht umgekehrt. Dieses Abhängigkeitsverhältnis der psychisch-mentalen Zustände von der physisch-materiellen Zuständen führte zu einem weiteren taktischen Spielzug; der „Emergenz„. Die Emergenz postuliert, das bestimmte Phänomene nur auf der Makroebene eines Systems erscheinen, aber nicht auf der Mikroebene der Systemkomponenten beobachtet werden können. Insofern spielt die Emergenz eine herausragende Rolle für den nicht-reduktiven Materialismus, da sie das Problem mit dem Bewusstsein dadurch versucht zu erklären, dass diese mentalen Zustände auf der Makroebene der menschlichen Kognition erscheint, er aber nicht in den neuronalen Zuständen der Gehirnaktivitäten nachzuweisen ist. Dies hat natürlich auch zu Buhrufen im Stadion geführt, da die Erklärung für eine materialistische Theorie als nicht sehr befriedigend erscheint und einige Fans der Naturwissenschaft hierin sogar wieder ein Foul durch einen Eigenschaftsdualismus der Geisteswissenschaft gesehen haben.

P./P. Churchlands eliminativer Materialismus

Zum Schluss gibt es noch einen letzten verzweifelten Angriffsversuch vor dem Abpfiff des Bieri-Trilemma-Schieris, der sich das Spiel auch nicht mehr länger anschauen konnte. Patricia und Paul Churchland schossen den Ball als eliminativen Materialismus auf das gegnerische Tor, indem sie einfach behaupteten:„Es gibt keine mentalen Zustände.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie_des_Geistes#cite_note-32). Die Vorstellung von den mentalen Zuständen würden lediglich auf einer Annahme der Alltagspsychologie beruhen, die aufgrund der fortschreitenden Ergebnisse der Neurowissenschaft irgendwann einmal zum Paradigmenwechsel der zur Zeit noch bestehenden Theorien des Philosophie des Geistes führen würde.

Paradigmenwechsel durch die nichtreduktive, bidirektionale Neurophilosophie

Dass dieser Paradigmenwechsel zwingend notwendig erscheint, ist hoffentlich durch das Hin und Her im UEPhA-Cup der Ismen mehr als deutlich geworden. Allerdings sehe ich ihn eher darin, die beiden Teams GW und NW endlich wieder zu vereinen, da zur Lösung des Problems der Philosophie des Geistes wie der Geist in die Materie kommt, beide Methoden vonnöten sind. Dieses Zuschütten des Grabens oder das Kitten des Risses könnte die nichtreduktive, bidirektionale Neurophilosophie aus meiner Sicht leisten. Aber hierzu mehr in meinem nächsten Essay „Die Neurophilosophie„.

***

Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Blog von Dirk Boucsein philosophies. Er erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des Autors und Blogbetreibers. Überschrift und Einleitung von Axel Stöcker.

Der Doppelgänger – Dirk Boucsein, Blogger

Logo des Blogs „philosophies“ von Dirk Boucsein

Für die jungen Leute ist es selbstverständlich andere „im Netz“ kennenzulernen, zu treffen oder zu „daten“. Da wird dann vorher erst mal per App abgecheckt, ob der oder die andere auch zur eigenen Peergroup gehört. Jedenfalls stelle ich mir das in meiner Ahnungslosigkeit ungefähr so vor. Meine Generation ist da noch anders gepolt. Bei uns musste das Leben noch ohne Netz funktionieren (manchmal tut es das auch heute noch) und Begegnungen waren nicht planbar und hatten daher immer auch etwas schicksalhaftes.

Manchmal kommt aber auch beides zusammen. Ich stieß vor kurzem bei Facebook auf die Seite eines Philosophieblogs und da fiel es mir gleich ins Auge: Bieri-Trilemma, Qualia, Geist-Gehirn-Problem… Das sind doch auch Schwepunktthemen bei mir. Dann – ganz modern per Skype – mit dem Blogger Kontakt aufgenommen und es stellte sich heraus: Es gibt noch mehr Parallelen. Alter, Beruf, früherer Berufswunschn, Interessen… Gleiche Peergroup, ganz ohne App.

Natürlich nicht wirklich ein Doppelgänger. Die Themen behandelt Dirk Boucsein auf seinem Blog „philosophies“ aus einer ähnlichen Perspektive, aber nicht derselben. Grund genug jedenfalls, ihm die „großen Fragen“ zu stellen.

Wofür lassen Sie alles stehen und liegen?

Wenn es etwas Leckeres zu essen oder zu trinken gibt. Draußen die Sonne scheint. Oder am besten, wenn alle drei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind. Also draußen picknicken im Sonnenschein.

Welche Themen interessieren Sie am meisten?

Die Grenzbereiche zwischen Geistes- und Naturwissenschaften, weil ich selber aus so einem Grenzbereich komme und nie verstanden habe, warum man eine solche Grenze gezogen hat. Zum Beispiel im Bereich der Philosophie des Geistes und seiner Schnittstelle zur Neuro- und Kognitionswissenschaft wird ganz klar deutlich, dass die eine Wissenschaft ohne die andere gar nicht kann und im höchsten Maße Interdisziplinarität gefragt ist.

Welcher Wissenschaftler fasziniert Sie besonders?

Eigentlich keiner, höchstens Stephen W. Hawking, aber eigentlich eher wegen seiner Lebensgeschichte. Dass es ihm trotz – oder gerade wegen – seiner ALS-Erkrankung gelungen ist, sich über sein Schicksal hinweg zu setzen und solch große Leistungen im Bereich der Theoretischen Physik erbracht hat. Hawking hat mal gesagt, dass er aufgrund seiner motorischen Erkrankung gezwungen war bildlich statt sprach-schriftlich zu denken. Das fand ich sehr interessant und inspirierend auch hinsichtlich der Funktionsweise unseres Gehirns.

Und welcher Philosoph?

Wenn überhaupt dann Michel Foucault und seine anderen Kumpels vom französischen Poststrukturalismus (Derrida, Deleuze, Lacan), weil ich hier in der Diskursanalyse während meines Studiums zum ersten Mal ein passendes Werkzeug gefunden habe, um zum Beispiel Macht- und Wissensfrage (gehört ja zusammen: Wissen ist Macht 😉 besser untersuchen zu können. Das hat mich seitdem nicht mehr losgelassen und jetzt vermute ich hinter allem eine Struktur (just kidding).

Welche drei Bücher würden Sie den Lesern des Blogs der großen Fragen empfehlen?

Puh, schwierig sich auf 3 Bücher zu reduzieren. Aber dann würde ich tatsächlich mal die drei nehmen, die ich zur Zeit auch immer mal wieder in die Hand nehme und die auch nicht Gefahr laufen langweilig zu werden:
1. Michel Fouault, Archäologie des Wissens
2. Neil Postman, Wir amüsieren uns zu Tode und
3. Stephen W. Hawking, Eine kurze Geschichte der Zeit.

Welche Musik mögen Sie?

Eigentlich fast alles, aber hauptsächlich Depeche Mode.

Auf welchem Gebiet herrscht heutzutage die größte Unwissenheit?

Die größten Entdeckungen sind meines Erachtens noch im Bereich der Hirn- und Kognitionsforschung zu erwarten, da wir von der adäquaten Beschreibung der Funktionsweise unseres Oberstübchen noch Lichtjahre entfernt sind. Wir wissen noch viel zu wenig, wie der Geist in die Flasche oder besser gesagt in die Materie kommt. Sehr spannendes Thema, das aber auch leider mit sehr viel Unwissenheit verknüpft ist. Besonders die Hybris des Materialismus/Physikalismus des naturwissenschaftlichen Lagers macht die Sache nicht einfacher, sondern führt zu populärwissenschaftlichen Fehldeutungen.

Was macht eine Frage bedeutend?

Dass sie etwas Existenzielles besitzen muss. Reine Scholastik ist langweilig und ermüdend. Sie muss der Impuls für neue Fragen sein und am besten noch eine Auswirkung auf das reale Leben haben.

Eine Fee verspricht Ihnen die Antwort auf eine beliebige Frage. Was fragen Sie?

Bist du echt? Ne, verdammt, dann ist sie wahrscheinlich schon weg. Dann vielleicht: „Was passiert mit mir, wenn ich tot bin?“

Wo sehen Sie Grenzen menschlicher Erkenntnis?

Die sind aus meiner Sicht sehr schnell erreicht. Ich würde mich sogar dazu hinreißen lassen zu behaupten, alles, was wir erkennen können, sind wir selbst. Also im Sinne Hans Blumenbergs als postulierter Anthropozentrismus finden wir bei all unseren Forschungen zu der Wirklichkeit und den letztendlich absoluten Wahrheiten nur uns selber immer wieder. Ich will nicht soweit gehen und von Solipismus sprechen, aber wenn einer mit absoluten Wahrheiten gerade in der Ontologie und Epistemologie daherkommt, werde ich immer sehr skeptisch.

Jemand erklärt Ihnen, die Frage nach Gott sei belanglos. Was antworten Sie?

Okay, kein Problem oder besser gesagt, Dein Problem. Wir sprechen uns wieder, wenn der Sensenmann an der Tür klopft. Ich halte Glauben für etwas sehr Persönliches um nicht zusagen Privates. Ich gebe offen zu, auch wenn es momentan moderner ist Atheist zu sein, dass ich zum Glauben an Gott gefunden habe. Ich habe nur weiterhin meine Probleme mit der Kirche.

 Welche Bedeutung hat der Tod für Sie?

Oh, ich glaube, das ist aus meinen vorherigen Antworten ablesbar. Ich will mich nicht wiederholen, sondern nur ergänzen, dass der Tod etwas Elementares im Leben darstellt. Er hat zunächst einmal etwas Finales und macht aus diesem Grunde, das Leben und Erleben aber umso kostbarer. Ich habe nicht das Ziel sehr alt zu werden, eher nach der Devise: kurz und heftig als lang und langweilig. Also, wenn es soweit ist, will ich sagen: „Ich habe gerne gelebt, jetzt reicht es aber auch.“
PS: „Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder ;-)“

Ein göttlicher Bluff

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Das Zitat im April – Leonhard Euler (Foto: screenshot YouTube)

Heute vor 310 Jahren wurde der Mathematiker Leonhard Euler geboren. Ein Streitgespräch über die Existenz Gottes mit dem französischen Gelehrten Denis Diderot soll er durch diesen Satz erfolgreich beendet haben. Haben Mathematiker einen besonderen Zugang zu Gott?

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