Der Klartexter – Thomas Naumann, Teilchenphysiker

Die Bonmot-Produktion begann bereits im Vorgespräch zum Interview: Es sei inzwischen nun mal empirisch bestätigt, dass die Welt sich tatsächlich so verrückt verhalte, wie die Quantenmechanik es voraussage. Thomas Naumann, den wir zusammen mit Ilja Bohnet interviewt haben, ist nicht nur Teilchenphysiker und Buchautor, sondern er hat sich auch zu philosophischen und religiösen Themen tiefe Gedanken gemacht. Vor allem aber hat er die Gabe, die Dinge – auch humorvoll – auf den Punkt zu bringen, wovon man sich im Teaser am Ende dieses Beitrags (oder gleich im kompletten Interview) überzeugen kann. Da war es nur folgerichtig, ihn auch um die Antworten auf unsere „großen Fragen“ zu bitten, was er dankenswerterweise getan hat. Die Antworten sind, wie erwartet, prägnant. Aber lesen Sie selbst.

Wofür lassen Sie alles stehen und liegen?

Für einen Sonnenstrahl und ein freundliches Wort.

Welche Themen interessieren Sie am meisten?

Einsteins Frage, ob Gott die Welt auch hätte anders machen können.

Welcher Wissenschaftler fasziniert Sie besonders?

Mich fasziniert Einsteins traumwandlerische geistige Unabhängigkeit.
Aber auch die von Kurt Gödel, Emmy Noether, John Bell.

Und welcher Philosoph?

Buddha. Und wenn Sie den nicht als Philosophen akzeptieren: Spinoza und Laotse.

Welche drei Bücher würden Sie den Lesern des Blogs der großen Fragen empfehlen?

Die Bibel, Brechts Hundert Gedichte und Stefan Heyms König David Bericht.

Welche Musik mögen Sie?

Bachs Passionen und Konzerte

Auf welchem Gebiet herrscht heutzutage die größte Unwissenheit?

Bei der Erkenntnis unserer selbst.

Was macht eine Frage bedeutend?

Wenn sie den Hebel tief ansetzt, uns überrascht und alte Gewissheiten in Frage stellt.

Eine Fee verspricht Ihnen die Antwort auf eine beliebige Frage. Was fragen Sie?

Einsteins Frage, ob Gott die Welt auch hätte anders machen können.

Wo sehen Sie Grenzen menschlicher Erkenntnis?

Es ist schwer zu verstehen, warum es etwas gibt und nicht etwa nichts.
Schon die Griechen sagten: Ex nihilo nihil fit – Von nichts wird nichts.

Was war am Anfang der Welt: Die Gesetze? Und die Materie folgte ihnen?
Oder ist der Kosmos aus Chaos geboren, und wir versuchen heute im Nachhinein,
seine Gesetze zu erkennen?

Jemand erklärt Ihnen, die Frage nach Gott sei belanglos. Was antworten Sie?

Dass es Gott dem Allmächtigen in seiner unermesslichen Weisheit und Güte gefallen hat,
mich zum Agnostiker zu machen – ich dem Frager also zustimme.

Welche Bedeutung hat der Tod für Sie?

Die wichtigste Frage für mich ist:
Gibt es ein Leben vor dem Tode?

Ich achte weniger darauf, wie viele Tage mein Leben hat,
sondern wie viel Leben mein Tag hat.

Ich folge also dem Memento mori aus dem 90. Psalm Davids:
Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.

***

Thomas Naumann ist Honorarprofessor an der Universität Leipzig. Er war am legendären ATLAS-Experiment am CERN beteiligt, bei dem das berühmte Higgs-Boson nachgewiesen wurde und war Gruppenleiter am DESY (Deutsches Elektronen-Synchroton), dem bekanntesten und wohl auch wichtigsten deutschen Forschungszentrum im Bereich Teilchenphysik. Außerdem hat er sich in zahlreichen Vorträgen zu philosophischen Themen zu Wort gemeldet, wie zum Beispiel Einsteins Dialog mit Gott, Bertolt Brechts Verhältnis zur Bibel und dem Verhältnis von Wahrheit und Schönheit.

Zwischen Urknall und „Popper-Keule“ – Thomas Naumann und Ilja Bohnet im Gespräch über die Rätsel des Universums (Video)

Beim Zoomposium durften Dirk Boucsein (philosophies.de) und ich diesmal die beiden Buchautoren Prof. Dr. Thomas Naumann und Dr. Ilja Bohnet interviewen. Die beiden Physiker haben jüngst ein Buch über die offenen Fragen in den Naturwissenschaften veröffentlicht. Es ging aber nicht nur um dunkle Materie und das Comeback von Einsteins kosmologischer Konstante, sondern auch um noch „größere“, weil philosophische Fragen. Unter anderem:

Ist der Kosmos schön und ist Schönheit ein Kriterium für Wahrheit? Warum fand die katholische Kirche die Idee des Urknalls so toll? Ist die Feinabstimmung des Universums ein Hinweis auf einen Schöpfer? Ist die Stringtheorie eine Metaphysik und – falls ja – eine gute? Und wie würde Karl Popper das einschätzen?

Das und mehr findet man hier im Interview auf unserem Kanal Zoomposium. Wer sich zunächst einen Eindruck verschaffen möchte, kann mit diesem Teaser hineinschnuppern:

Rätsel Schönheit (1) – Warum Schönheit biologisch nicht erschöpfend erklärt werden kann

„Die biologischen Gesetze allein haben keine Finger, die fein genug sind, um die Schönheit eines Gesichts zu modellieren.“ (Nicolás Gómez Dávila)
Foto: Mareike Dittrich Fotografie

Schönheit galt lange als Geschenk der Götter. Vielleicht ist sie das auch. Aber selbst, wenn nicht: Wenn wir mal von Smartphones und Netflix-Abos absehen, ist nichts so begehrt wie Schönheit. In der heutigen Zeit zeigt sich das, wie kaum anders zu erwarten, am seit Jahren boomenden Markt der Schönheitsindustrie.

Aber was ist Schönheit überhaupt? Lässt sie sich klar definieren, wissenschaftlich erfassen oder gar messen? Und wie und warum entsteht sie?

Rätsel Schönheit (1) – Warum Schönheit biologisch nicht erschöpfend erklärt werden kann weiterlesen

Was ist Evolution? (2) – Warum der Sternenstaub überlebte

Ein Gastbeitrag von Helmut Pfeifer

Supernova – ohne Sternenexplosionen kein Leben im Universum
(Bild: Screeshot Youtube)

Evolution erklärt uns die Entstehung des aufrechten Ganges oder die Länge von Giraffenhälsen. Eine Ansicht, die nicht falsch ist, aber von einem eingeschränkten Verständnis von Evolution zeugt. Diese setzte nämlich schon direkt nach dem Urknall ein, lange bevor an die ersten Lebewesen überhaupt zu denken war. Schon jetzt setzten sich stabile Teilchen gegen ihre instabileren „Konkurrenten“ durch. Helmut Pfeifer führt uns im zweiten Teil seiner Serie durch die Geschichte der kosmischen Evolution.

Was ist Evolution? (2) – Warum der Sternenstaub überlebte weiterlesen

Die Quantentheorie und der Kampf um die Seele der Physik

Ein Gastbeitrag von Christian Bührig

Solvay 1927_1
Teilnehmer der Solvaykonferenz 1927 – Die „Quantenkritiker“: Einstein (1. Reihe, Mitte), Schödinger (3. Reihe, Mitte); die „Quantenfreaks“: Bohr (2. Reihe, ganz rechts), Heisenberg und Pauli (3. Reihe, 3. u. 4. v. rechts)

A. Einleitung von Axel Stöcker

Von allen naturwissenschaftlichen Theorien ist die Quantentheorie jene, die am besten empirisch bestätigt wurde. Und sie ist wohl auch die Theorie, die am meisten technisch angewendet wird. Von der Neonröhre bis zum Computer, von der Quantenkryptographie bis zur Photovoltaik, alles beruht auf Quanten.

Doch so souverän man die Theorie in der Praxis auch beherrscht, so unsicher ist man sich nach wie vor in der Frage, wie ihre theoretischen Grundlagen eigentlich zu interpretieren sind. Zugespitzt formuliert gleicht die Quantentheorie einer großen Black Box, die perfekte Ergebnisse liefert, aber deren Inneres ein großes Rätsel darstellt. Was bedeuten all die Wellenfunktionen, Matrizen und Operatoren eigentlich? Repräsentieren sie physikalische Realitäten, oder sind es lediglich raffinierte mathematische Simulationen?

Die Quantentheorie und der Kampf um die Seele der Physik weiterlesen

Relativitätstheorie (3) – ein neues Bild der Gravitation

Ein Gastbeitrag von Helmut Pfeifer

Raumkrümmung
Raumkrümmung – in Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie ist die Gravitation keine Kraft, sondern eine Eigenschaft der Raumzeit

Im zweiten Teil ging es um Einsteins Spezielle Relativitätstheorie. In diesem dritten und letzten Teil von Helmut Pfeifers Serie geht es um die Allgemeine Relativitätstheorie, die sich im Gegensatz zur speziellen RT auch mit beschleunigten Bewegungen befasst. Was sich wie eine physikalische Spitzfindigkeit anhört, hatte es in sich und forderte Einstein über zehn Jahre lang alles ab. Am Ende stand nicht nur eine Beschreibung beschleunigter Bewegungen, sondern auch eine völlig neue Vorstellung von der Natur der Gravitation. Und sie machte Einstein endgültig berühmt.

Relativitätstheorie (3) – ein neues Bild der Gravitation weiterlesen

Und was sagte Platon dazu? – Daniel Brockmeier, Vlogger

danie brockmeier 1
Vloggt zur Philosophie: Daniel Brockmeier

Die Kategorie Zeitgenossen antworten lief bisher eher bescheiden. Von den fünf befragten Zeitgenossen waren drei Blogger. Zwei davon sind inzwischen nicht mehr aktiv und einer war ich selbst. Nunja. Jugendsünden eines Blogs, der in diesen Tagen drei Jahre alt wird. Nun soll es anders werden.

Die Idee der Kategorie war von Anfang an, immer dieselben Fragen an verschiedene Personen zu stellen. Die Hoffnung dabei: wenigstens unterschiedliche Aspekte dessen auszuleuchten, was ohnehin nicht letztgültig beantwortet werden kann. Die großen Fragen eben, sei es die nach den Grenzen menschlicher Erkenntnis oder auch nur jene nach guter Musik.

Typen statt Theorien – so könnte man das Motto der Kategorie schlagwortartig zusammenfassen. Wobei Philosophen naturgemäß ein größeres Interesse an den großen Fragen mitbringen als andere. So stellt sich auch heute der Vlogger und Philosoph Daniel Brockmeier unseren Fragen.

Und was sagte Platon dazu? – Daniel Brockmeier, Vlogger weiterlesen

Relativitätstheorie (2) – Die Verschmelzung von Raum und Zeit

Ein Gastbeitrag von Helmut Pfeifer

einstein
Zeitdilatation und Längenkontraktion sind zwei Konsequenzen aus Einsteins spezieller Relativitätstheorie

Im ersten Teil seiner Serie stellte Helmut Pfeifer jene Entdeckungen von Einsteins Vorgängern und Zeitgenossen dar, die die Relativitätstheorie erst möglich machten. Nun geht es ans Eingemachte. Wie entwickelte der bekannteste deutsche Physiker seine spezielle Relativitätstheorie? Und wie entstand seine berühmte Formel E=mc2 ?

Relativitätstheorie (2) – Die Verschmelzung von Raum und Zeit weiterlesen

Relativitätstheorie (1) – die Schultern der Riesen

Ein Gastbeitrag von Helmut Pfeifer

Relativistische Längenkontraktion – auch vor Einstein schon ein Thema

„Wenn ich weiter geblickt habe, so deshalb, weil ich auf der Schuler von Riesen stehe“ soll Isaak Newton über seine Vorgänger gesagt haben. Und Newton war seinerseits einer der Riesen, auf dessen Schultern Albert Einstein seine Relativitätstheorie entwickelte. In diesem ersten Teil seiner Serie zur Relativitätstheorie stellt Helmut Pfeifer die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse aus Optik, Elektrizität und Magnetismus dar, ohne die Einstein seine Theorie nicht hätte entwickeln können.

Relativitätstheorie (1) – die Schultern der Riesen weiterlesen

Hawkings Bluff (1) – Ist die Philosophie tot?

Teil 1: Die Widersprüche in Hawkings Vermächtnis

Multiversum
Multiversum – Idee oder Realität?

Stephen Hawking wollte in seinem letzten populärwissenschaftlichen Buch nicht nur wichtige kosmologische, sondern auch große philosophische Fragen beantworten. Hat er erreicht, was Generationen von Wissenschaftlern und Philosophen misslang?

Stephen Hawking ist wieder in den Bestsellerlisten. Das hätte dem weltberühmten, öffentlichkeitsaffinen Kosmologen, der im März dieses Jahres verstarb, sicher gefallen. So ganz glücklich wäre er über das Werk, das ihn – wieder – in den populärwissenschaftlichen Charts vertritt, aber wahrscheinlich nicht. Es handelt sich nämlich um sein Erstlingswerk Eine kurze Geschichte der Zeit, das bereits vor 30 Jahren ganz nach oben stürmte. Das ist der Fluch des frühen Erfolges, wie man ihn auch von Michael Jackson kennt: Der King of Pop litt im Grunde sein ganzes Leben darunter, dass er sein Debutalbum Thriller nicht mehr toppen konnte.

Hawkings Bluff (1) – Ist die Philosophie tot? weiterlesen